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Ein verwunschener Ort

Naturerlebnis und Schauplatz von Schauergeschichten: Die Gleßbrunnen bei Wolkertshofen

Die Strahlend steht die Sonne am Himmel, innerhalb des kleinen Wäldchens wirkt die Atmosphäre trotzdem irgendwie dämmerig. Der Ort strahlt eine befremdliche Aura aus. Möglicherweise liegt das an der urwaldartigen Umgebung. Hier betreibt niemand Forstwirtschaft, Äste liegen am Boden, Gestrüpp versperrt den Weg und angesichts der akkurat bestellten Felder außen herum wirkt der Hain wie aus der Zeit gefallen.

Eine Kirche samt Turm könne man hier versenken, hieß es einst. Heute weiß man, dass die Brunnen nicht besonders tief sind. Fotos: Alona Bartenschlager

Dabei sind es gar nicht die Weiden, Buchen oder das Schilf, die das Interesse von Besuchern wecken, sondern mehrere Tümpel, fünf an der Zahl, die sich im Forst verbergen: die sagenumwobenen Gleßbrunnen bei Wolkertshofen. Die einen sprechen von einem „Kraftort“ mit besonderer Energie, anderen ist das Gewässer eher unheimlich – manche meiden es noch heute. Kaum einen, der sie besucht, aber lassen sie unberührt.

„Gleißende“ Karstquelle

Dabei handelt es sich zunächst einmal um ein Naturphänomen. Mehrere Karstquellen sprudeln aus großer Tiefe hervor – durch natürlichen, sogenannten artesischen Druck. Das Wasser hat daher eine gleichbleibende Temperatur von zehn bis zwölf Grad, sommers wie winters. Die Farbe ist hell bis blau und wechselt die Farbe je nach Lichteinstrahlung. Daher stammt auch der Namensbestandteil „Gleß“, der nichts anderes als gleißend oder spiegelnd bedeutet. Die Ausschüttung beträgt einigermaßen gleichbleibend um die 700 Liter pro Sekunde – selbst in trockenen Jahren – nur in sehr regenarmen und heißen Sommern kann die Ausschüttung geringer ausfallen.

Das Wasser dringt durch poröses Kalkgestein nach oben, das sich hier in geringer Tiefe befindet. Im heutigen Schuttertal hatte sich die Urdonau ihren Weg gebahnt, die hier vor rund 250.000 bis 130.000 Jahren entlang strömte. Dabei legte sie Riffe frei, die Millionen Jahre älter sind. Diese Kalkriffe liegen im Schuttertal normalerweise in einer Tiefe von zwölf bis 14 Metern. Nur im Gebiet der Gleßbrunnen nicht. Bei geologischen Untersuchungen stießen Bohrer bereits nach fünf bis sechs Metern auf diese Gesteinsformationen. Von hier aus drückt das Wasser nach oben und speist diese Trichter, von denen es vier kleinere und einen relativ großen gibt. Sie sind hier durch Wasserläufe miteinander verbunden. An anderer Stelle ist das nicht möglich, da die Deckschicht undurchdringlich ist. Es handelt sich um die stärksten solchen Karstquellen in der Region Eichstätt. Das Wasser ist zudem so gut, dass die Donaustadt Ingolstadt das Areal vor einigen Jahrzehnten als Trinkwasserreservoir gekauft hat. Die Gleßbrunnen liegen daher heute in einem Trinkwasserschutzgebiet.

Als würde man in eine andere Welt abtauchen – so fühlt man sich hier, auch wenn das Areal nicht besonders groß ist.

Mystischer, sagenumwobener Ort

Dabei ist die Donau historisch mit den Gleßbrunnen verbunden: Als sich vor Urzeiten der Boden im Schuttertal durch tektonische Ereignisse hob und die Donau sich ein anderes Bett suchte, blieb die Schutter übrig, und das Tal verwandelte sich in ein Moor oder Moos – nicht ungefährlich für Wanderer, die nur vom sicheren Pfad abkommen mussten, um in Gefahr zu geraten. Und es waren viele Leute unterwegs, denn die Gegend war früh belebt. Es gab zahlreiche Mühlen, und auch der Weg nach Egweil führte übers Schuttermoos. Zu allem Überfluss gab es die Gleßbrunnen, deren Existenz man sich nicht recht erklären konnte. Trotz des klaren Wassers konnten die Menschen seinerzeit die Tiefe des Haupttrichters nicht ausloten. Eine ganze Kirche samt Turm könne man hier versenken, raunten sich die Leute zu – was allerdings nicht stimmt. Taucher haben herausgefunden, dass die Quelltöpfe maximal neun Meter nach unten reichen und das nur an manchen Stellen.

Ein verwunschener OrtAber die Kombination aus dunklem Ufer und hellem Wasser beflügelte die Fantasie, zumal es in der Dämmerung, wenn im Herbst die Nebel heraufziehen, hier durchaus unheimlich sein kann. Irrlichter, so glaubte man, lauern den Wanderern auf und führten sie gezielt zu den Gleßbrunnen und damit ins Verderben. Und zur Geisterstunde dürften sich auch heute noch nur die Mutigsten zu den Gleßbrunnen wagen. In Nassenfels wurde früher sogar die Irrglocke geläutet, an der sich die Leute orientieren konnten, die abends noch unterwegs waren. Wenn man allerdings weiß, welche Streiche der Nebel mit der Akustik treiben kann, ist man sich nicht so sicher, ob das Geläute nicht manchmal für zusätzliche Konfusion gesorgt hat.

Auch eine schauerliche Sage ist bei dieser Konstellation schier unvermeidlich. Und die geht so: Ein Bauer war ein furchtbarer Trunkenbold, der regelmäßig seine Frau und die Kinder verprügelte, die ihm deshalb den baldigen Tod wünschten. Einmal war eine Hochzeit, zu der der Bauer geladen war. Wieder betrank er sich fürchterlich und beschloss den Heimweg abzukürzen, und zwar ausgerechnet über die Gleßbrunnen. Dort verschwand er auf Nimmerwiedersehen. Seither aber taucht in bevorstehenden Notzeiten eine Gestalt aus dem Wasser auf, ruft dreimal gegen Nassenfels gewandt „Leut´ bet´s!“ und verschwindet wieder. Ob die Menschen seinem Aufruf gefolgt und gebetet haben und ob das auch tatsächlich geholfen hat, ist nicht überliefert.

Ein verwunschener Ort
Mystische Reflektionen: Die umstehenden Bäume spiegeln sich im klaren Wasser.

Eldorado für Naturfreunde

Abgesehen von dieser schauerlichen Erscheinung sind die Gleßbrunnen ein Eldorado für Naturfreunde. Man muss sich nur ein bisschen Zeit nehmen und sich auskennen. Hier finden sich Wasser-Schwertlilien, Knabenkraut und der seltene Lungenenzian. Kiebitz und Braunkehlchen haben hier ihr Nest, der rote Milan lässt sich blicken und auch der vom Aussterben bedrohte Große Brachvogel hat hier noch eine Heimat. Wer auf einen der schmalen Pfade zu den Gleßbrunnen vordringt, findet fast so etwas wie eine verwunschene Welt vor, in der nur die  Metallschienen, die über die Wasserläufe gelegt sind, nicht hineinpassen. Und man muss nicht einmal viel Glück haben, um auf Hexen zu stoßen: Wasserhexen, um genau zu sein. Diese Insekten, die zu den Wasserläufern zählen, sind hier seit der letzten Eiszeit heimisch, was auf das hohe Alter der Gleßbrunnen hindeutet. Sonst sind die Wasserhexen nur noch in einigen wenigen Gebirgsseen zu finden. In den Gleßbrunnen laden sie zum Tanz, und das nicht nur in der Walpurgisnacht.

Wegbeschreibung

Auf dem Wander- und Radweg von Nassenfels nach Wolkertshofen befindet sich etwa 250 Meter vor Wolkertshofen eine Infotafel zu den Gleßbrunnen. Von der Tafel biegt ein Wiesenweg nach rechts ab, der zu dem Wäldchen führt, in dem sich die Gleßbrunnen verstecken.

In einem Wäldchen verborgen, von außen nicht erkennbar, befinden sich die geheimnisvollen Gleßbrunnen.

 

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