Eichstätt. – Am Ende stand die ganze Halle, feierte das rund 50-köpfige „Rock of Ages“-Team auf der Musicalbühne und hatte sicher auch – mit Ausnahme der Schulklasse, die schon frühzeitig für Stimmung gesorgt hatte – die eine oder andere eigene Erinnerung an die kitschig-schönen 80er-Jahre im Kopf. Das finale Mashup als musikalischer Schnelldurchlauf durch das ganze Werk und Jahrzehnte der Rockgeschichte war nur der krönende Abschluss. Vorangegangen waren ebenso kurzweilige wie mitreißende drei Musicalstunden mit allerlei Rockstar-Allüren, rauchiger Reibeisenstimme und gefühlvollen Balladen, Humor, Tanz und einer Band, die per 40.000-Watt-Anlage die Eichstätter Boxerhalle zum Beben brachte. Die Botschaft ist klar: „Keep on rocking!“
Mut wird ja nicht selten belohnt – vor allem, wenn man auch noch so heißt: Der Eichstätter Kulturverein MuT e.V. hat sich nach der Zwangspause noch in der auslaufenden Coronazeit an eine weltbekannte, professionelle Musicalproduktion gewagt – und zwar eine, die kaum besser zum Thema Comeback passen könnte: Denn auch Hauptfigur Stacee Jaxx feiert in dem Stück als alternder Rockstar mit wohl gewollter Ähnlichkeit zu Guns N’ Roses-Frontmann Axl Rose (gespielt und gekonnt gesungen von Klaus Kopischke) seine Wiedergeburt auf der Bühne – und hilft dabei, den berühmten Rockclub „Bourbon Room“ zu retten, in dem er einst seinen ersten Auftritt hatte.
Dort ist auch das Landei Sherrie (Denise Liepold) aus Oklahoma gelandet und verliebt sich in Jungrocker Drew (Fabian Fürbacher), die schnell zueinander finden und den ersten gelungenen Auftritt von Drews Band feiern können. So weit, so gut. Dann aber droht Ungemach: Es kommt nicht nur zum Krach zwischen dem jungen Liebespaar. Stacee Jaxx’ ebenso schmieriger wie gieriger Manager – herrlich komisch und mit vollem Einsatz gespielt von Hans-Peter Schneider – bringt den nach dem Auftritt der Rock-Legende eigentlich geretteten Bourbon Room um die Gage. Und so stehen dessen Macher Dennis Dupree und Lonnie (Peter Dickmann und Florian Lehmeyer als kongeniales Duo) doch wieder vor dem Aus.
Denn die stockkonservative Bürgermeistergattin Patricia Whitmore – gespielt von Sisi Wein, die einmal mehr zeigt, was für eine „Rampensau“ im positiven Sinne in ihr steckt – tut alles, um den Sündenpfuhl mitten im L.A. der 80er-Jahre auszutrocknen. In dessen Mittelpunkt befindet sich nicht nur der Bourbon Room, sondern auch der Stripclub von Justice – cool gespielt und druckvoll gesungen von Anna Stampfer mit Powerstimme –, in dem Sherrie nach ihrem Streit mit Drew inzwischen gelandet ist.
„We’re Not Gonna Take It“ vs. „We Built This City“
Und so entwickelt sich auch ein musikalisches Battle, ein gesungener Zweikampf zwischen dem „Team Rock“ und der typisch-amerikanisch-prüden anderen Bevölkerungshälfte um die renitente Patricia Whitmore, die sich gekonnt die Liedzeilen von „We’re Not Gonna Take It“ und „We Built This City (on Rock `N Roll)“ an den Kopf schmeißen. Es wird eng für den Bourbon Room, und als dann auch noch Drew und seine Gruppe von der Plattenfirma zur Boyband umfunktioniert werden und als solche in dem Rockschuppen auftreten sollen, scheint das Ende der Rockära unausweichlich.
Doch Rockstars wie Stacee Jaxx haben eben manchmal mehrere Leben – vor allem, wenn sie plötzlich von der Muse geküsst werden – oder in diesem Fall vom leibhaftigen „Feuerphönix“: nämlich der von der knallharten Reporterin des Rolling Stone Magazin zur leibhaftigen Rockröhre verwandelten Alex (Theresa Hürdler), die als Feuervogel auch das Feuer in Jaxx wiederentflammt. Es besteht also noch Hoffnung für den Bourbon Room – vor allem, als dann auch noch die dunklen Geheimnisse der Patricia Whitmore auf den Tisch kommen.
Und auch um die Eichstätter Kulturlandschaft muss man sich keine Sorgen machen, wenn ein 50-köpfiges Ensemble mit rein ehrenamtlichem Zeitbudget ein professionelles Musical mit weltbekannten Songs derart mitreißend und aufwendig umgesetzt auf die Bühne bringen und die Boxerhalle mit ihrem schlichten Charme und schwieriger Akustik auch dank der Arbeit des Technikteams um Ralph Wein in den Ort für ein Konzerterlebnis verwandeln kann. Was Klaus Kopischke, Denise Liepold, Fabian Fürbacher, Theresa Hürdler, Anna Stampfer und all die anderen auf der Bühne und vor allem auch am Mikrofon zeigten, begeisterte das Publikum am Premierenwochenende jedenfalls auf ganzer Linie.
Egal, ob es um Powernummern wie „Anyway you want it“ mit Stampfer, um gefühlvolle Balladen wie „More Than Words“ von Liepold und im Duett mit Fürbacher beim Journey-Hit „Don’t Stop Believing“ ging, ob Kopischke den Bon-Jovi-Klassiker „Wanted Dead or Alive“ rockte oder mit „Feuerphönix“ Hürdler „The Heat of the Moment“ erlebte – der Funke sprang vor allem in der zweiten Hälfte immer mehr über und mündete in jenem Rock-Mash-up mit lang anhaltendem Applaus für die ganze Musicaltruppe. Dann gab es auch den verdienten Applaus für die heimlichen Stars, die nur bisweilen durch die transparente Leinwand über der Bühne zu sehen, dafür aber umso mehr zu hören waren: die Musiker um Bandleader Michael Mayer an der Gitarre, Anja Albrecht (Gitarre), Andreas Baumann am Schlagzeug, Tobias Frey am Bass und Alexander Schlegel am Keyboard.
Für das Risiko belohnt
Und dann wären da noch die kleinen, aber feinen Details, wie ein Einspieler von 80er-Jahre Klassikern wie dem A-Team, Knight Rider oder „Ein Colt für alle Fälle“. Oder wie Josef Adametz in seiner Nebenrolle als Faktotum Heyman sowie Chor und Tänzertruppe (Michaela Baumann, Johannna Großhauser, Leticia Pintor Mendez, Vanessa Rade, Patricia Drey und Manuela Zecherle) und all die anderen, die zwar nicht so sehr im Rampenlicht standen, aber im Falle von Daniela Branner nicht nur die Choreographie für die Bühnenshows arrangiert, sondern auch noch selbst über Monate extra Pole-Dance-Unterricht genommen haben.
„Das Ganze Projekt war schon ein Risiko“, sagte ein erleichterter MuT-Kassier Florian Fischer nach der Premiere. Schließlich habe man das Musical ja bereits einmal coronabedingt verschieben und sich dann schon vor den intensiven Probenmonaten in damals noch weit schwierigeren Coronazeiten entscheiden müssen, ob man das Stück jetzt angehen würde – inklusive der damit verbundenen Lizenzkosten, Saalmiete und vielem mehr. Jetzt gab es nicht nur eine mitreißende Premiere, sondern die Vorstellungen bis Ende Mai sind ausverkauft – Kurzentschlossene können es noch an der Abendkasse versuchen. Wie gesagt: Mut wird oft belohnt. Und – ganz wichtig: Der Rock stirbt nie.