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Hightech-Kontrollzentrum in der Wüste

Das Cockpit des Audi RS Q e-tron für die Rallye Dakar

Neuburg a. d. Donau. – Die Spannung steigt bei Audi Motorsport: Denn in rund drei Wochen beginnt das Abenteuer Rallye Dakar für die Marke mit den vier Ringen, die die Rallye mit einem alternativen Antriebskonzept bestreitet, das erstmals einen elektrischen Antriebsstrang mit einer Hochvoltbatterie und einem hocheffizienten Energiewandler kombiniert – durchaus herausfordernd, wie sich auch beim zweiten großen Dakar-Test in Marokko Mitte November gezeigt hat. Hier werfen wir mit Audi einen genaueren Blick in das Cockpit des Hochvolt-Rennboliden, in dem Piloten wie Mattias Ekström und Beifahrer Emil Bergkvist ab dem 1. Januar zwei Wochen lang über Tausende Kilometer durch Sand und Geröll der Wüstenweite Saudiarabiens unterwegs sein werden.

Wie in einem gigantischen Sandkasten: Der Audi RS Q e-tron beim Rallye-Dakar-Test in Marokko Mitte November. Fotos: Audi AG

Reifenschäden auf den felsigen Pisten zwangen Pilot Stéphane Peterhansel ebenso wie Ekström immer wieder zu Unterbrechungen. Ein durch einen Felsen verbogener Querlenker im Fahrwerk, eine undichte Antriebswellenmanschette und weitere Komponenten verlangten nach Ersatz, die Karosserie erforderte kleinere Reparaturen. Peterhansel, Ekström und ihr Fahrerkollege Carlos Sainz arbeiteten zudem intensiv an der Fahrwerksabstimmung. Bis zuletzt gibt es viel zu tun – gerade in Zeiten der Pandemie und der Lieferkettenproblematik.

Doch nach Weihnachten ist es so weit: Dann wird der völlig neu entwickelte Q-Renner bei heißen Temperaturen auf Herz und Nieren geprüft. Hochgeschwindigkeitspisten, Schotterstrecken, Dünengebirge, ausgetrocknete Flussbetten: Dem innovativen Prototyp von Audi für die Rallye Dakar wird dann wie beim Test in Marokko unter härtesten Rennbedingungen getestet – ohne die Möglichkeit zum Boxenstopp. Dann sind die Piloten über weite Strecken auf sich allein gestellt – und müssen sich auf ihr fahrerisches Können, ihr Gespür und natürlich die innovative Technik verlassen – vor allem in ihrem Cockpit.

Wie in einem Flugzeug-Cockpit dürfen sich Pilot und Beifahrer manchmal fühlen. Auf den stundenlangen Etappen ist volle Konzentration bei der Einschätzung des Geländes draußen, aber auch beim Bedienen der Instrumente gefragt. Rechts sind die Halterungen für die beiden offiziellen Tablets mit Roadmap zur Streckenführung zu sehen. Beifahrer wie Lucas Cruz (Foto unten) müssen sich dabei sowohl auf die Navigation als auch auf die Fahrzeugsteuerung konzentrieren.

Wie im Flugzeug-Cockpit

Ein Blick in den Innenraum des Audi RS Q e-tron dürfte jeden Autofan an ein Flugzeug-Cockpit erinnern: Über die gesamte Breite der Instrumententafel sind Bildschirme und Anzeigen verteilt. Nur mit ihrer Hilfe können Fahrer und Beifahrer Tausende von Kilometern in der Wüste schnell und erfolgreich bewältigen.

Ursprünglich gab es im Marathon-Rallyesport eine klare Aufgabenteilung: Der Fahrer fährt, der Beifahrer navigiert. Längst haben sich diese Rollen verändert: Das Reglement begrenzt die navigatorischen Aufgaben auf sehr präzise Möglichkeiten und Vorschriften. Das einstige Roadbook aus Papier für die Strecke ist heutzutage digital. Und der Audi RS Q e-tron verteilt mit seinem Bedienkonzept verschiedene Funktionen zwischen Fahrern und Beifahrern neu.

Kein Schalten mehr

Lenken, Beschleunigen und Bremsen sind die Hauptaufgaben für die Piloten Mattias Ekström, Stéphane Peterhansel und Carlos Sainz, die sich voll aufs Gelände konzentrieren. Die Gänge müssen sie nicht mehr wechseln, denn der elektrische Antrieb mit Energiewandler im Audi RS Q e-tron benötigt kein Schaltgetriebe mehr. Zentral im Cockpit sichtbar ist der zweifach gekröpfte Handbremshebel aus Aluminium. Er ist mit dem innovativen Brake-by-wire-System gekoppelt, das die hydraulische Bremse mit einem Rekuperationssystem kombiniert. Ein Zug an der Handbremse hilft also ebenso wie die Betätigung der Fußbremse, um Energie zurückzugewinnen. Der wesentliche Zweck der Handbremse im Rallyesport aber besteht darin, den RS Q e-tron vor Kurven „anzustellen“. Das kurzzeitige Blockieren der Hinterräder zwingt das Auto in einen Drift. Richtungswechsel verlaufen so besonders agil.

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Unmittelbar vor dem Fahrer sind auf dem Lenkrad acht Bedienknöpfe zu finden. Sie steuern unter anderem die Hupe, die Scheibenwischer und Dateneinträge in der Software, falls der Fahrer eine Auffälligkeit mit zeitlicher Markierung im Speicher hinterlegen will. Auch lässt sich dort der Tempobegrenzer aktivieren für Zonen, in denen eine Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben ist. Hinter dem Lenkrad sitzt ein Display direkt im unteren Sichtfeld des Fahrers. Es informiert über die Reifenluftdrücke, die Fahrtrichtungswahl des stufenlosen Elektroantriebs (vorwärts, rückwärts oder neutral) und über das aktuelle Tempo. Ebenso enthält es wichtige Warnungen, damit der Fahrer beispielsweise bei einem bevorstehenden System-Shutdown oder einer Abschaltung der Hochvoltbatterie sofort reagieren kann. Oberhalb und in Richtung der Windschutzscheibe angebracht rücken zwei kleine Anzeigen ganz wesentliche Informationen ins Sichtfeld: Ein sogenannter Repetitor links zeigt die Kompassrichtung an, die Anzeige rechts das gefahrene Tempo.

Ritt auf der „sandigen Rasierklinge“: Ende Dezember beginnt für Audi das Abenteuer Dakar.

Konzentration gefragt – vor allem auch beim Beifahrer

Bei den vielen Instrumenten und Funktionen ist Übung und Konzentration gefragt. Ein zentrales Display genau in der Mitte zwischen Fahrer und Beifahrer enthält Angaben zu Reifendrücken, zur gewählten Bremsbalance, zum Brake-by-Wire-System und zu vielen weiteren Funktionen. Die Angaben sind grün hinterlegt, wenn eine Funktion oder ein System einwandfrei arbeitet, oder rot, wenn ein Fehler auftaucht. Unterhalb befindet sich ein Switchpanel. Die einzelnen Tasten reagieren berührungssensitiv mit Druckpunkt. Auf den 24 frei belegbaren, aber vordefinierten Flächen hat Audi unter anderem verschiedene Funktionen hinterlegt: zum Beispiel vorgewählte Höchstgeschwindigkeiten, die in Tempobegrenzungszonen üblich sind, oder die Klimaanlagenbetätigung. Es lassen sich verschiedene Seiten programmieren, sodass die 24 Knöpfe mehrfach belegbar sind. Auf den hinteren Seiten sind seltener genutzte Funktionen abrufbar. Dort lassen sich etwa im Fall von Schäden einzelne Systeme abschalten („fail safe“), um das Etappenziel sicher in einem Notmodus zu erreichen.

Die Betätigung dieses Switchpanels liegt beim Beifahrer, der Fahrer äußert nur noch entsprechende Wünsche. All dies muss im rauen Gelände bei Geschwindigkeiten bis zu 170 km/h über Stunden möglichst fehlerfrei vonstatten gehen. Damit übernimmt der Copilot eine hohe Verantwortung neben seiner ursprünglichen Hauptaufgabe, dem Orientieren. „Nur noch die Hälfte meiner Energie verbringe ich mit der Navigation, die andere Hälfte mit der Bedienung des Autos. Aber ich liebe diese neue Herausforderung“, sagt Edouard Boulanger, der Beifahrer von Stéphane Peterhansel.

Routeninformation erst 15 Minuten vor Start der Etappe

Die Route der bevorstehenden Etappe wird nicht mehr wie in der Vergangenheit am Vorabend herausgegeben. Erst 15 Minuten vor dem Start der Etappe bekommen die Teams jeden Morgen diese Streckeninformation. Emil Bergkvist, der sich das Cockpit mit Mattias Ekström teilt, sieht darin einen Vorteil: „Ich komme als Fahrer aus dem klassischen Sprint-Rallyesport. Für mich ist dies der ideale Zeitpunkt zum Wechsel als Copilot in den Marathon-Rallyesport, denn jetzt müssen sich auch die etablierten Beifahrer an diese neuen Regeln gewöhnen.“

Multitasking gefragt: Das Fahrergespann wie Mattias Ekström und „Co“ Emil Bergkvist (2. Foto von links) müssen auf der Strecke permanent vollkonzentriert sein, wenn es etwas werden soll mit einer erfolgreichen Dakar-Teilnahme.

Die kurzfristige Information zur Streckenführung wie auch der Wechsel auf ein digitales Roadbook-Format stellen große Herausforderungen dar. Um sich im Gelände zu orientieren und zugleich die vorgeschriebene Route einzuhalten, blicken die drei Beifahrer Emil Bergkvist, Edouard Boulanger und Lucas Cruz auf zwei Tablet-Bildschirme, die die früheren Papier-Roadbooks ersetzen. Ihre Betätigung erfolgt mit zwei Fernbedienungen, die über Kabel verbunden sind. Auf dem Schirm links weist das Roadbook den Weg durchs Gelände. Nur wenn dieses Tablet ausfallen sollte, dürfen die Crews das versiegelt ausgelieferte Roadbook in Papierform öffnen und benutzen, sonst droht eine Strafe. Das Tablet rechts enthält die GPS-Navigation und validiert die digitalen Wegmarkierungen (Waypoints), die jeder Teilnehmer anfahren muss. Erreicht das Auto den Umkreis eines Waypoints, sieht auch der Fahrer im rechten Repetitor unterhalb der Windschutzscheibe die Pfeile, die ihm die Richtung zum Waypoint anzeigen.

Navi weniger hilfreich als im Auto

Der größte Unterschied zu einem Navigationssystem im Serienauto: Während das Gerät im Straßenverkehr hilft, Ziele möglichst präzise zu finden, soll die Navigation bei Marathon-Rallyes eine sportliche Herausforderung bleiben. Sie entscheidet neben der fahrerischen Leistung über Erfolg und Niederlage. Somit gibt der Veranstalter im Roadbook nur Kompassrichtungen, Distanzen, Piktogramme, Besonderheiten und Gefahrenhinweise. Das GPS-System im Rallyeauto ist somit bewusst nur bedingt eine Hilfe für die Teams. Zugleich dient die Anlage dem Veranstalter als Kontrollinstrument. So kann er überprüfen, ob die Teilnehmer im offenen Gelände über Hunderte von Kilometern die Route sowie das Tempo in Speed Control Zones eingehalten haben.

Komplett ist das Cockpit erst mit dem Iritrack-System in der Mittelkonsole. Es dient der Ersten Hilfe bei Notfällen. Damit erfasst der Veranstalter die Geschwindigkeit, die aktuelle Fahrzeugposition und kann mögliche Unfälle erkennen. Der Beifahrer kann in einem Notfall den Veranstalter direkt informieren, ob die Passagiere unverletzt sind, ob sie medizinische Hilfe benötigen oder ob das Rettungsteam einem anderen verunglückten Teilnehmer helfen soll.

Extreme Präzision, Schnelligkeit und eine Flut von Aufgaben prägen die digitalisierte Arbeit im hochmodernen Cockpit des Audi RS Q e-tron. Und doch bleibt es auch im Marathon-Rallyesport der Faktor Mensch, der über den sportlichen Erfolg entscheidet. Ende Dezember wird es  in Saudi-Arabien ernst: Dann erlebt der RS Q e-tron seine Feuertaufe bei der Rallye Dakar.

Die Anspannung steigt für die Fahrerduos Stéphane Peterhansel, Edouard Boulanger und Lucas Cruz, Carlos Sainz vor dem Start der Rallye.

Fakten zum Rennen:
Die Rallye Dakar ist eine der größten Herausforderungen und Abenteuer in der Welt des Motorsports und hat seit vielen Jahren im Januar ihren festen Termin im internationalen Motorsport-Kalender. Zum ersten Mal wurde sie 1979 ausgetragen und erhielt ihren Namen von ihrem ersten Zielort Dakar – der Hauptstadt Senegals an der Westküste Afrikas. Von 1979 bis 2007 fand die Rallye in Afrika statt. 2008 wurde die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen abgesagt. Ab 2009 wurde Südamerika für elf Jahre die neue Heimat der Rallye Dakar, bis Saudi-Arabien, das heutige Gastgeberland, im Jahr 2020 seine erste Rallye Dakar austrug.

Seit Beginn ist die Rallye Dakar die Krone in der Welt des internationalen Marathon-Rallyesports. Es ist ein zweiwöchiger Marathon durch atemberaubende Landschaften und über anspruchsvolles Terrain – ein echter Test für alle Teilnehmer, Teams und Fahrzeuge. Motorräder, Quads, Leichtbau-Prototypen, Autos und Trucks starten in verschiedenen Kategorien.

Die Vorbereitungen auf die 2022er-Auflage beginnen mit der Technischen Abnahme vom 29. bis 31. Dezember. Am Neujahrstag rollen die Autos in Haʼil über das Podium und fahren bei einem kurzen Prolog die Startreihenfolge für die Rallye aus. Die erste Etappe startet am 2. Januar in Haʼil. Nach 12 Wettbewerbstagen und einem Ruhetag am 8. Januar in Riad werden die Teilnehmer am 14. Januar in Dschidda im Ziel erwartet.

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