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Digitalisierung am Menschen ausrichten

Auftakt für neuen Forschungsschwerpunkt an KU

Die Gesellschaft bei der digitalen Transformation begleiten, Chancen und Risiken kritisch reflektieren und die technische Entwicklung am Bedarf der Menschen orientieren – das ist das Ziel eines neuen Forschungsschwerpunktes an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU), der nun bei einer Auftaktveranstaltung vorgestellt worden ist. „Unser Forschungsprogramm steht unter dem Titel ,Für eine am Menschen orientierte digitale Gesellschaft‘. Als Universität mit einem ausgeprägten sozial-, geistes- und wirtschaftswissenschaftlichen Profil sehen wir uns in der Verantwortung, Digitalisierung anders zu denken“, betonte Jens Hogreve als Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der KU.

Im Zentrum dürfe nicht Technik um der Technik willen stehen, sondern die Frage, wie Technik dazu beitragen könne, ein lebenswertes Miteinander zu schaffen. Zudem wolle die KU – wie Hogreve weiter schilderte – ihre Absolventen auf die Herausforderungen der digitalen Zukunft vorbereiten – sowohl im Hinblick auf Berufswelt und Forschung als auch künftige Lernumgebungen. Diese Entwicklungen gelte es, kritisch zu reflektieren.

Bei der virtuellen Auftaktveranstaltung des Forschungsschwerpunktes „Für eine am Menschen orientierte digitale Gesellschaft“ diskutierten im Fernsehstudio der KU (v.l.) die Juniorprofessoren Dr. Dominik Stöger und Dr. Pirmin Fontaine mit Vizepräsident Prof. Dr. Jens Hogreve sowie der online zugeschalteten Juniorprofessorin Dr. Karin Boczek. (Fotos: Klenk/upd)

Ausgangspunkt für die Etablierung des neuen Forschungsschwerpunktes war der große Erfolg der KU im Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Die Katholische Universität konnte 2019 mit ihrem Konzept „Für eine am Menschen orientierte digitale Gesellschaft“ überzeugen und erhielt in einem bundesweiten Begutachtungsverfahren die Bewilligung für sieben sogenannte Tenure-Track-Professuren. Die ersten Berufungen für einige dieser Tenure-Track-Professuren boten nun den Anlass für die virtuelle Auftaktveranstaltung, die aus dem Fernsehstudio des Journalistik-Studiengangs der KU übertragen wurde.

Nachwuchsprofessuren mit digitalem Mehrwert

Tenure-Track-Professuren sehen nach erfolgreicher Bewährungsphase für besonders herausragende Nachwuchswissenschaftler den unmittelbaren Übergang in eine Professur auf Lebenszeit vor. In einem universitätsweiten Dialog wurde an der KU die thematische Ausrichtung der beantragten Professuren erarbeitet, deren Fächerspektrum von Mathematik und Psychologie bis hin zu Journalistik und Betriebswirtschaftslehre reicht. „Die Nachwuchsprofessuren werden sich gegenseitig fachlich komplementär ergänzen sowie fakultäts- und fachübergreifend miteinander verbunden sein. Darüber hinaus wollen wir bewusst als Teil von Netzwerken agieren, wie etwa durch unsere Mitgliedschaft im AININ – dem Artificial Intelligence Network Ingolstadt“, schilderte Vizepräsident Hogreve.

Data Science und Deep-Learning-Prozesse stehen im Mittelpunkt der Forschung von Juniorprofessor Dominik Stöger.

Das Themenspektrum der Neuberufenen, die über ihre Arbeitsschwerpunkte berichteten, deckt auch Bereiche ab, die man auf Anhieb nicht mit der Katholischen Universität verbinden würde: So ist der Mathematiker Dominik Stöger neuer Juniorprofessor für Data Science. Er beschäftigt sich unter anderem mit den Grundlagen von sogenannten Deep-Learning-Verfahren. Zwar finden diese zunehmend Anwendung in verschiedenen Lebensbereichen, jedoch sei die Theoriebildung noch am Anfang und mathematisch noch unzureichend verstanden, wie diese Verfahren funktionieren. Genau diese Fundierung ist ein Ziel von Stöger, die wiederum auch relevant ist für die Sicherheit von Anwendungen etwa in der Medizin oder dem autonomen Fahren.

Karin Boczek ist neue Juniorprofessorin für Digitalen Journalismus und untersucht eine Medienlandschaft im Spannungsfeld: Auf der einen Seite soll er einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion leisten, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf jeden Einzelnen hat. Auf der anderen Seite ist auch der Journalismus selbst von der Digitalisierung betroffen. Angesichts eines Überangebotes an Informationen gelte es zudem, Wege zu finden, die wieder zu mehr Aufmerksamkeit für den Journalismus führen.

Pirmin Fontaine erforscht die digitale Seite der Logistik.

Als Juniorprofessor für Operations Management wiederum forscht Pirmin Fontaine zu den urbanen Herausforderungen von Logistik – etwa durch die Optimierung des Warentransports auf Grundlage von Datenanalyse und die Potenziale von Lastenfahrrädern für die Paketzustellung in Großstädten. In seinem Impulsvortrag beschäftigte sich der Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger als Gastreferent des Abends mit der Frage, wie und welche Werte sich in die Forschung zur digitalen Gesellschaft einbinden lassen. Neuberger begann seine wissenschaftliche Karriere an der KU, wo er promoviert und habilitierte. Mittlerweile ist er Professor für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin sowie geschäftsführender Direktor des Berliner Weizenbaum-Instituts für die vernetzte Gesellschaft.

Digitale Medien bieten laut Neuberger einerseits vielfältige Möglichkeiten der Partizipation. Gleichzeitig sei man in der Lage, auf Grundlage von Daten menschliches Verhalten zu analysieren. Dabei sei es nicht die Technik, die Ziele solcher Analysen determiniere, sondern die Anwender dieser Technik – etwa große Konzerne mit wirtschaftlichen Interessen. Digitale Anwendungen durchdringen alle Lebensbereiche mit breiten Wirkungen in die Gesellschaft hinein: „Die Digitalisierung hat als Thema einen ähnlichen Stellenwert wie Fragen des Klimawandels oder die Krise der Demokratie.“

Konformitätsdruck statt Meinungsvielfalt

Als einen Maßstab, um sich kritisch und strukturiert auf dem breiten Themenfeld zu bewegen, skizzierte Neuberger die Werte der demokratischen Gesellschaft. Das Ideal von Freiheit in digitalen Öffentlichkeiten zum Beispiel werde – wie empirische Studien zeigen – nicht nur durch Konzerne oder staatliche Kontrolle eingeschränkt, sondern auch durch Konformitätsdruck unter den Nutzer, um etwa Hate-Speach zu entgehen. Auch im Hinblick auf Gleichheit oder Vielfalt falle die Bilanz gemischt aus angesichts heterogener Medienkompetenz und einem unüberschaubaren Angebot an Inhalten: „Weil jeder alles sagen kann, soll idealerweise die Vielfalt an Meinungen unendlich groß sein. Das trifft jedoch nicht zu: Selbst wenn alle Meinungen irgendwo vertreten sind, muss man sie erst einmal finden.“

Werte – und Wertvorstellungen schwingen auch mit in den vielfältigen Forschungsschwerpunkten der Juniorprofessoren. Im Hinblick auf den Journalismus untersucht Karin Boczek, welche Art von Nachrichten durch ein Medium über alle Verbreitungswege hinweg besonders hervorgehoben und welche Kriterien dafür zugrunde gelegt werden. Für den Logistik-Experten Pirmin Fontaine spielen bei Fragen der Optimierung von Lieferketten zunehmend nicht nur wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, sondern auch Fragen von Nachhaltigkeit, Fairness und Umweltschutz. Auch der Mathematiker Dominik Stöger nimmt wahr, dass in seinem Fach zunehmend reflektiert wird, welche Folgen die Gestaltung von Algorithmen haben – etwa im Hinblick auf die Diskriminierung von Bewerbern oder die Wahrung von Privatsphäre.

„Die Vielschichtigkeit von Digitalisierung in unserer Gesellschaft macht es unausweichlich, künftig Geistes- und Sozialwissenschaften verstärkt mit Technik zusammenzubringen. In diesem Sinne machen wir uns als Katholische Universität bewusst auf den Weg, um diese Transformation zu erforschen und menschengerecht mitzugestalten – auch im Austausch mit Partnern aus der Praxis“, resümierte Vizepräsident Hogreve.

Quelle
upd
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