Digital, regional und bio – es ist eine Geschäftsidee, die voll im Trend liegt – so viel ist klar. Internet-Gründer Bastian Hiller jedenfalls ist fest überzeugt, dass Lebensmittel wieder mehr regional vermarktet werden müssen. „Da sind die Wege kurz und man weiß, wo es herkommt – das leuchtet jedem ein“, sagt er. Und so hat Hiller selbst ein Konzept entwickelt, mit Hilfe digitaler Technik den Landwirten vor Ort eine Plattform zu bieten, mit der sie genau das tun können: ihre eigenen Lebensmittel vor Ort direkt vermarkten. Dahinter steckt ein digitales Geschäftsmodell, das über die Region hinaus eine nachhaltige Erfolgsgeschichte werden könnte.
Von Stephan Zengerle
Direkt neben dem Bahnhofsgebäude im Zentrum von Eichstätt könnte schon bald ein kleines, aber feines Gebäude in Holzoptik und mit viel Grün entstehen. Ob es mit dem Standort klappen würde, war bei Redaktionsschluss angesichts der laufenden Gespräche mit der Stadt Eichstätt noch nicht klar. Das Dach soll jedenfalls begrünt oder wohl mit Solarpaneelen bestückt sein. Nachhaltigkeit ist gefragt bei „Greenbox“. Denn so soll das neue Unternehmen heißen, an dem der Eichstätter Bastian Hiller schon lange feilt, in das er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Hubertus Stock sowie der Eichstätter Architektin Silja Seger, die ebenfalls an das Projekt glaubt und daher kurz vor der anstehenden offiziellen Firmengründung eingestiegen ist. Sie alle haben bereits viel Zeit und Geld in das Projekt gesteckt und Geldgeber gesucht.
Gespräche mit Start-up-Investoren in München habe es zum Beispiel gegeben, die aber eher auf schnelle Rendite aus gewesen seien, verrät Hiller. Aber das sei nicht das, was man wolle: Greenbox soll zwar schnell an den Start gehen, aber auch langfristig und damit nachhaltig erfolgreich sein. Die Gründer glauben an ihr „Baby“ und die Idee dahinter: regionale Vermarktung mit kurzen Wegen und natürlichen Produkten direkt vom Bauern – alles digital, transparent und nachvollziehbar. Und mit vielen weiteren Nachteilen: Die Software etwa erkennt Haltbarkeit und gibt daher automatisch Rabatte oder kann Lebensmittel gegebenenfalls auch verschenken, damit sie eben nicht weggeworfen und vernichtet werden – wie Millionen Tonnen an anderen Lebensmitteln, die jedes Jahr in Deutschland im Abfall landen.
In Deutschland gibt es zwar bereits viele solche Ideen oder Projekte regionaler Vermarktung, überwiegend aber stark lokal begrenzt und oft nicht von Dauer. Auch die Hofläden der Bauern seien ein solcher Ansatz. Klar, es gebe Regionalecken in so manchem Supermarkt, gibt Hiller zu Hiller. Aber wenn man sowohl ökologisch als auch für die Bauern etwas bewirken wolle, brauche es viel mehr, findet er.
„Vernetzter, digitaler Hofladen“
„Greenbox“ hat sich vorgenommen, weit umfassender zu sein: Wenn es gelingen solle, die regionale Direktvermarktung wirklich ernsthaft und maßgeblich umzusetzen, brauche es mehr, so Hiller: ein gutes, digital aufgestelltes, intelligentes und flexibles sowie erweiterbares Konzept. Genau so etwas wollen Hiller, Stock und Seger aufbauen: eine Art vernetzter, digitaler Hofladen also.
Wer sich einmal angemeldet hat, kann jederzeit per Smartphone-App in eine der Greenboxen gehen und die dort angebotenen Lebensmittel kaufen. Eine intelligente Software erfasst Bestand und auch andere Daten wie Haltbarkeit und Frische oder welche anderen Produkte zu dem gekauften passen könnten. Die Software kann automatisch oder auf Wunsch des Bauern Angebote machen und an die Teilnehmer verschicken. Und die Bauern und Lebensmittelhersteller können gegen einen geringen Preis Regalmeter in der Greenbox mieten und zahlen bei den verkauften Lebensmitteln einen kleinen Teil Provision an Greenbox. So soll sich die Investition, die für den Start notwendig ist und sich schnell auf eine Million Euro zubewegen dürfte, refinanzieren. Den Preis für ihre Waren bestimmen die Anbieter selbst. Für die Bauern sei ein solcher „vernetzter Hofladen“ sicher als regionale Vermarktungsmöglichkeit interessant, glaubt Hans Scharl, selbst Landwirt und stellvertretender Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes.
„Ich esse gerne – zum Beispiel gerne Tomaten, die nicht nach Wasserbomben schmecken“, sagt Bastian Hiller grinsend – mit Blick auf schnell gezüchtete, geschmacksarme Tomaten aus Gewächshauslandschaften im Süden Spaniens oder anderswo. Seit er mit 34 eine Krebsdiagnose erhalten und den Krebs erfolgreich bekämpft hatte, achtet er noch mehr auf eine gesunde und nachhaltige Lebensweise. Wie die meisten anderen Verbraucher auch, wüsste er etwa gerne noch besser, wo ein Nahrungsmittel herkommt und wer es wie gezüchtet hat. Und genau hier setzt Greenbox an.
„Erst wenn man sich damit beschäftigt, merkt man, wie komplex und vielfältig der Lebensmittelmarkt ist“, sagt Hiller. Ein Problem sind die Kleinteiligkeit und die Entfernungen. „Wenn man hier regionale Produkte einkauft, fährst du schnell einmal 200 Kilometer durch den Landkreis“, sagt Hiller. „Du bist froh, dass du fair und regional eingekauft hast – aber du bist dabei 200 Kilometer gefahren“, sagt er. Genau das Problem will „Greenbox“ lösen: Ein Marktplatz für regionale Produkte soll es werden, wie die Macher sagen – und zwar einfach, intelligent und mit kurzen Wegen sowie transparent. Die Nutzer sollen auch Informationen über den Produzenten der Ware erhalten.
Zunächst fünf Standorte geplant
In der ersten Phase sollen im Landkreis Eichstätt fünf solche „Greenboxes“ entstehen. Neben einem Standort in Eichstätt könnte das etwa in Beilngries, Kipfenberg, Titting oder Gaimersheim sein. Die Standortprüfung läuft gerade. Theoretisch aber können viele Gemeinden eine solche Greenbox bekommen. Die Zahl ist im Prinzip beliebig erweiterbar – auch im ländlichen Raum, wo es oft keine Supermärkte und Lebensmittelläden mehr gibt – dafür aber Fördergelder für genau das: wohnortnahe Versorgung mit regionalen Lebensmitteln. So könnte „Greenbox“ eine einfache Alternative zum Dorfladen werden.
Das Start-up-Team hat verschiedene Pakete entwickelt: Neben der frei einsetzbaren und selbst entworfenen Greenbox, die aus nachhaltigen Materialien und von regionalen Firmen hergestellt werden soll, wie Architektin Silja Seger betont, die das Design entworfen hat. „Das ist uns ganz wichtig.“ Im Innenraum etwa kommt ein Natursteinboden aus Solnhofener Platten zum Einsatz, an den Wänden Organit, ein komplett ökologisches und recycelbares Material. Darüber hinaus gibt es aber auch niederschwelligere und günstigere Alternativen von Greenbox, wo man bestehende Gebäude und Räumlichkeiten nutzen kann.
Der große Vorteil ist ohnehin das ausgeklügelte System, das durch digitale Technik Erzeuger und Kunden auf intelligente Weise zusammenbringen soll – der elektronische Marktplatz eben. Und weil darin das große Potenzial steckt, könnte das System auch über die Region hinaus gefragt sein. Denn regionale Produkte und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe sowie direkte Vermarktungsmöglichkeiten sind in ganz Deutschland und der ganzen Welt ein Thema. „Ich glaube ganz fest an unsere Idee“, sagt Bastian Hiller. „Es fühlt sich einfach total gut und richtig an.“ Sollte es tatsächlich mit dem Standort neben dem Eichstätter Stadtbahnhof klappen, würden sich auch die „Nachbarn“ freuen: Vertreter von „Bahnhof lebt!“, die dem historischen Bahnhofsgebäude neues Leben einhauchen wollen, würden die Greenbox nebenan begrüßen.