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„Leben“ rund um den Bahnhof

Nutzungsänderung, Vorstandsrücktritt, Annäherungsversuche – wie geht es weiter mit „Bahnhof lebt!“ und dem Eichstätter Bahnhofsgebäude?

Eichstätt. – Die Idee hat etwas Bestechendes – und der Traum ist noch nicht ausgeträumt: ein echtes Bürgerhaus mitten in der Stadt, ein Ort der Begegnung, verwaltet von den Bürgern selbst, untergebracht im Bahnhofsgebäude mit seinem markanten Walmdach und historischem Charme – bis dahin frisch saniert für eine Millionensumme. Das klang irgendwie schon zu gut, um wahr zu sein. Und tatsächlich war es das vielleicht auch. Denn nach den neuesten Plänen der Stadt soll der erste Stock nun doch nicht an den bis dato rein ehrenamtlichen Verein „Bahnhof lebt!“ verpachtet werden, sondern könnte nach der Sanierung in etwa drei, vier Jahren zumindest zu einem Teil die neue Heimat der Eichstätter Volkshochschule (VHS) werden, die dann auch die Nutzung des Gebäudes verwalten würde.

„Schockiert“, aber gesprächsbereit: Der Vorstand von „Bahnhof lebt!“ – hier vor dem Bahnhofsgebäude, ist am 25. September geschlossen zurückgetreten, sieht aber nach einem „konstruktiven Gespräch“ mit OB Grienberger mögliche neue Wege für den Verein: (von links) Jennifer Kammler, Jochen Grammer, Julia Deane und Tom Muhr. Foto: oh

Die Wende der Stadtverwaltung in Sachen Nutzungskonzept sorgte erst für Schock und Unmut, dann zu einem Rücktritt des gesamten Vorstands des Vereins aus Jennifer Kammler, Tom Muhr sowie Julia Deane und Jochen Grammer, inzwischen aber auch zu einem „sehr konstruktiven Gespräch“ im Rathaus mit Oberbürgermeister Josef Grienberger, wie es heißt. Dabei schien das Tuch erst zerschnitten, nachdem Grienberger das neue Nutzungskonzept Mitte September erst im Haupt- und Werkausschuss des Stadtrats und direkt im Anschluss in der Mitgliederversammlung von „Bahnhof lebt!“ persönlich vorgestellt hatte – „das war mir auch aus Respekt vor der Arbeit des Vereins wichtig“, wie Grienberger betont. Der Vorstand war schon vorab im Juni von den Plänen in Sachen Nutzungsänderung in Kenntnis gesetzt worden, wie er bestätigt.

Es Aufgabe der Stadt, die besten und tragfähigsten Lösungen für die Stadt und die Bürger zu finden – und dazu gehöre auch die VHS, die sich im Verbundbildungsprozess mit der VHS Ingolstadt befindet (siehe eigener Bericht auf diesen Seiten) und nach den neuen Plänen stark wachsen soll, so Grienberger. Die Büros im Erdgeschoss des Bahnhofsgebäudes etwa eigneten sich sehr gut für die Unterbringung der Verwaltung der VHS, die bis Anfang 2025 von derzeit 1,5 auf dann 3,5 Stellen anwachsen soll. Zudem will man unter neuer Führung attraktiver werden und das Kursangebot ausweiten – und das auch in passenden Räumen. Auch hier sieht man zumindest aktuell Anpassungsbedarf in den bisherigen Räumlichkeiten im Kolpinghaus, wie aus der Sitzungsvorlage für die Ausschusssitzung hervorgeht. Die Räume im Bahnhofsgebäude seien natürlich geeignet, bestätigt Otto Neumeyer, seit Oktober neuer Leiter der VHS. Mehr will er zu dem Thema aber nicht sagen.

Neue Aufgabe für neu aufgestellte VHS

Die VHS war ohnehin schon als einer der Hauptnutzer der neuen Räume angedacht gewesen, könnte nun aber auch die Regie über das Gebäude übernehmen. Zusätzliche, eigene Räume in zentraler Lage böten jedenfalls nicht nur die Chance, die VHS auch räumlich direkt ins Zentrum der Stadt rücken zu lassen und gleichzeitig eine solide Refinanzierung des Millionenprojekts Bahnhofsgebäude auf die Beine zu stellen. Die genauen Sanierungskosten müssen zwar noch beziffert werden, dürften aber wohl mindestens bei dreieinhalb Millionen Euro liegen, wie es heißt. Könnte „Bahnhof lebt!“ als Verein die dafür notwendige Miete für die Räumlichkeiten überhaupt stemmen? Gäbe es dafür genügend „Untermieter“ dafür, und würde die Stadt nicht dadurch den Verein durch reduzierte Mieten sogar massiv „subventionieren“, damit er das Gebäude an ihrer statt „verwaltet“? Auch solche Fragen habe man sich gestellt, heißt es aus dem Rathaus – und hat sich daher offenbar nun für eine andere Variante entschieden.

Ist „Bahnhof lebt!“ damit jetzt quasi „tot“? Diese Frage hatten sich manche gestellt – schließlich ist der Satzungszweck ja stark auf die Belebung des Bahnhofsgebäudes als Bürgerhaus ausgerichtet. Aber das wäre in vielerlei Hinsicht voreilig: Der Vereinszweck sehe zwar vor, als Verein das Bahnhofsgebäude mit dem namensgebenden Leben zu füllen und ein echtes Bürgerhaus daraus zu machen. „Auch VHS und Musikschule sind natürlich Teil eines Bürgerhauses“, sagt Jochen Grammer, Vorstandsmitglied von „Bahnhof lebt!“. Aber der Verein wolle zusätzlich eben ein offeneres, niederschwelligeres Angebot schaffen. Erst das würde den Bahnhof auch zu einem echten Bürgerhaus und Bürgertreffpunkt mit dem entsprechenden Charme machen – davon ist man bei „Bahnhof lebt!“ auch weiter überzeugt.

„Schlag ins Gesicht aller Ehrenamtlichen“

Das sehen auch manche im Eichstätter Stadtrat so: Christian Alberter etwa ist da kritisch: „Diese Entscheidung ist angesichts der jüngsten Entwicklungen zwar nachvollziehbar, dennoch ein herber Verlust für unsere Stadtgesellschaft“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende. „Die Art und Weise, wie die Stadtspitze mit dem ehrenamtlichen Engagement des Vereins umgegangen ist, ist inakzeptabel.“ Schließlich hab der Verein über Jahre hinweg unzählige Stunden in die Planung und Umsetzung eines Begegnungszentrums investiert, das der gesamten Stadt zugutekommen sollte. Das Ganze sei daher „ein Schlag ins Gesicht aller Ehrenamtlichen“. Er verweist zudem auf einen Beschluss des Stadtrats aus dem letzten Jahr, der die Nutzung des ersten Stockwerks, in dem sich ein Großteil der nutzbaren Räumlichkeiten befindet – in der ehemaligen Bahnhofshalle unten soll weiter eine Buchhandlung mit Kiosk entstehen – „Bahnhof lebt!“ zuspreche.

Klaus Bittlmayer (Grüne), der sich ebenfalls seit Jahren stark für „Bahnhof lebt!“ und ein echtes Bürgerhaus engagiert hatte, hätte gerne noch eine andere Variante gesehen. „Schon vor längerer Zeit wurde das Vorhaben, eine Genossenschaft für den Bahnhof zu gründen, einvernehmlich zwischen Bahnhof lebt und der Stadtverwaltung, ad Acta gelegt. Dem trauere ich persönlich schon etwas hinterher.“ Aber er blickt jetzt nach vorne und sieht nach langen Jahren ohne Leben im Bahnhof sogar eine Art „Luxussituation“: „Wir haben zwei großartige Optionen auf dem Tisch liegen. Sowohl die die Idee, die hinter einer Volkshochschule steht, ist für unsere Stadt eine sehr wichtige Bereicherung und genauso die Idee des Vereins Bahnhof lebt. Wir sehen im Bahnhof durchaus das Potential beides zu verwirklichen.“

„Wir haben zwei großartige Optionen auf dem Tisch liegen.“

Eine solche einvernehmliche Lösung wünscht sich auch Grienberger. Das Ganze sei in keinster Weise ein Misstrauensbeweis gegenüber „Bahnhof lebt!“ und seinen Mitgliedern – im Gegenteil: Die Stadt wünsche sich weiter das bürgerschaftliche Engagement und die entsprechenden Angebote für Menschen, die eben nicht in VHS-Kursen oder in der Musikschule engagiert seien, erklärt der OB im Gespräch mit dem Eichstätter Journal. Aber er sehe durch die grundlegenden Veränderungen bei der VHS sowie im Zuge des Sanierungskonzepts nun Handlungsbedarf und möchte hier die beste Möglichkeit für die Stadt und für alle Bürger finden. Der Verein sei nach den Plänen der Stadt nicht „raus“, sondern hätte sozusagen einfach nur nicht mehr den „Hut auf“ im ersten Stock, wo der weitaus größte Teil der nutzbaren Flächen liegt: Er wäre dann selbst nur ein Nutzer und Mieter unter vielen – wie die Eichstätter Musikschule auch, die ebenfalls die Räume nutzen will.

Darauf hofft auch Bittlmayer: „Wir haben zwei großartige Optionen auf dem Tisch liegen.“ Die Verwaltung der Räume durch die VHS sei eine gute Lösung, die auch Freiräume für andere biete: „Unsere Hoffnung ist, dass die Menschen und Aktivitäten der VHS und des Vereins Bahnhof lebt in eine konstruktive Kooperation kommen.“ Es sei erforderlich, die Mitgliederversammlung von „Bahnhof lebt!“ abzuwarten und die Anliegen des Vereins ernsthaft zu berücksichtigen, betont auch Alberter. „Das sind wir diesem Verein schuldig.“ Und das sieht auch die Stadtspitze so. Das Thema wurde im Stadtrat vertagt. Zunächst findet am 14. Oktober findet die turnusgemäße Mitgliederversammlung des Vereins statt, bei der über das Thema beraten werden und ein neuer Vorstand gewählt werden soll. Der bisherige Vorstand hatte zunächst „schockiert“ auf die Pläne zur Nutzungsänderung reagiert und am 25. September geschlossen seinen Rücktritt erklärt. Durch ein klärendes Gespräch mit dem Oberbürgermeister aber haben sich die Gemüter nun ein wenig beruhigt und man sieht wieder eine Gesprächsgrundlage und mögliche neue Perspektiven für den Verein. Die will man nun ausloten, bevor der Stadtrat dann letztlich entscheiden muss. Ob der bisherige Vorstand noch einmal zur Wahl antritt, dazu wollte man sich noch nicht abschließend äußern. Der Frust ist noch nicht ganz verflogen – aber die Idee vom lebendigen Bahnhof lebt weiter.

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