Eichstätt. – Was verbirgt sich hinter der „BürgerDemo“, die für nächsten Sonntag, 18. Februar, auf dem Eichstätter Volksfestplatz angekündigt ist? Gut, nach einer der Demokratie-Demos der letzten Wochen hört sich das Ganze wirklich nicht an. Aber ist es eher eine breitere Fortsetzung der Bauernproteste gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern oder ist es vielleicht sogar der Versuch der AfD, solche Proteste zu unterwandern und damit quasi die „Straße zu erobern“? Es wurde viel diskutiert in den letzten Tagen, seit mit Flyern, Plakaten und Marktständen für die Veranstaltung geworben wurde. Denn am Wochenende machte schnell die Runde, dass der Anmelder der Demo offenbar ein glühender Anhänger der AfD ist. Auf den Werbemitteln waren bis dahin außer dem Namen des Anmelders keine weiteren Logos oder Veranstalter erkenntlich. Inzwischen distanzieren sich Mitorganisatoren der „BürgerDemo“ im Gespräch mit Ei-Live klar von den zum Teil rechtsextremen Botschaften des Anmelders und wollen das nach eigener Aussage auch bei der Demonstration deutlich machen.
Ist es nur eine „harmlose“ Weiterführung und Weiterentwicklung der Bauernproteste in einer etwas ungeschickten Organsation? Oder ist es doch eine Unterwanderung durch die AfD? Auf diese Idee konnte man durchaus kommen, wenn man bis Samstagmittag auf das Facebook-Profil des Anmelders der geplanten „BürgerDemo“ am nächsten Sonntag um 18 Uhr auf dem Eichstätter Volksfestplatz geblickt hat: Aufmerksame Bürger, die auch zum Orga-Team der jüngsten Demokratie-Demo am Marktplatz gehört hatten, haben festgestellt, dass auf dessen Account in den vergangenen Jahren für die AfD, über die vermeintliche „Corona-Lüge“ und sogar Reichsbürgergedankengut gepostet worden war, zuletzt am 1. Februar. Nach ersten Kommentaren in Kommentarspalten und allerhand Aufregung über das Wochenende ist all das inzwischen gelöscht, es liegt Ei-live.de aber vor (siehe unten). Versucht also etwa die AfD eine Demo zu initiieren, um rechtsextreme Stimmung zu machen oder eine „BürgerDemo“ zumindest zu unterwandern?
Die Mitveranstalter der kommenden „BürgerDemo“ am Volksfestplatz betonen auf Anfrage von Ei-live, dass sie den Anmelder zwar kennen, aber dass er ihnen nicht in dieser Hinsicht aufgefallen sei. Und sie bekennen sich ganz klar gegen Rechtsradikalismus und Extremismus jeglicher Art, sagen etwa Unternehmer Michael Buchner und Michael Muhr von der Bauernorganisation LSV. Muhr und sein LSV-Kollege Anton Meyer, Landwirt aus Eitensheim, die die Moderation der Veranstaltung am Sonntag übernehmen, wollen sich auf der Demonstration auch ganz klar gegen Rechtsradikalismus aussprechen. Buchner hätte auch gerne „vorher von den Posts gewusst und das Ganze dann auch anders aufgezogen“. Das Ganze sei aus einer Whatsapp-Gruppe entstanden und daher nicht so ganz professionell abgelaufen – und wohl etwas ungeschickt, die Anmeldung einer Einzelperson ohne erkennbarer Organisation im Rücken zu überlassen.
So steht dort eben auch auf den offiziellen Flyern zur Demo nur Enrico U. aus Pollenfeld, der sich auf seinem Facebook-Account mehrfach eindeutig für die AfD geäußert hat: „Alice Weidel – meine Bundeskanzlerin“, so hat er es zu einem Video auf Facebook offenbar noch am 1. Februar gepostet, das betitelt ist mit „Alice Weidel rechnet mit den Deutschland-Hassern von der Regierung ab!“. „Stoppt die Corona Lüge. Söder, Merkel und co. müssen weg bevor sie Deutschland zerstören!!! Es gibt nur eine Alternative für Deutschland!!!“, so kann man es von ihm am 7. März 2021 lesen. Und dann noch dieser Post, der mehr oder weniger eindeutig Gedankengut aus dem Reichsbürgermilieu enthält: „Ich verstehe all diejenigen die diesen Rechtsstaat nicht anerkennen wollen! Noch dazu sind wir kein freies Land da wir immer noch von Soldaten anderer Länder besetzt sind!!!“
Nicht nur vom „Wording“ her schwierig
All diese Posts sind inzwischen vielen Leuten aufgefallen, die wissen wollten, wer denn hinter der Demonstration und jenem Namen auf dem Flyer steckt. Auch der Eichstätter Oberbürgermeister Josef Grienberger (CSU) wundert sich ein wenig über den Flyer, wie er auf Anfrage von Ei-live sagt. Nach der Anmeldung beim Landratsamt als Genehmigungsbehörde bekommt auch die Stadt Eichstätt die Informationen zur Demonstration im Stadtgebiet auf den Tisch. Er sei nicht eingeladen und werde auch nicht hingehen, sagt Grienberger. Er finde den Flyer auch vom „Wording“ her eher schwierig. Die auf dem Flyer aufgeführten Forderungen seien nicht nur problematisch formuliert, sondern gehen Grienberger auch eindeutig zu weit: Die Forderung nach einem „Ende der Waffenlieferung“ bedeute auch ein Ende des Ukrainekriegs – und damit der Ukraine, wie wir sie kennen. Das seien „keine der Positionen der christlichen Parteien im Bundestag, sondern Positionen der AfD“, stellt er fest. Aber auch er kenne einen Teil der Veranstalter und habe den Eindruck, dass es sich hier nicht generell um eine rechtsextreme Veranstaltung handle. Die Demonstration am 26. Januar am Volksfestplatz, die ebenfalls maßgeblich vom LSV organisiert worden war, sei auch absolut im Rahmen gewesen. Er selbst war verhindert, aber Landrat Alexander Anetsberger war vor Ort.
Berechtigte wirtschaftliche Sorgen
Das sieht auch Michael Muhr so. Es gehe hier überhaupt nicht um Parteipolitik: „Wir haben gar keine Partei eingeladen“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des Vereins Landwirtschaft verbindet Bayern (LsV). Es gehe eher darum, auf Missstände in der aktuellen Politik hinweisen. Nicht nur die Bauern hätten große Probleme. Da gehe es längst nicht nur um die Kürzungspläne rund um Agrardiesel & Co, die inzwischen ohnehin größtenteils zurückgenommen seien. Es gehe vielmehr um vernünftige Rahmenbedingungen für die Wirtschaft – gerade für die Handwerker und kleinen und mittleren Unternehmen, die gerade sehr große Sorgen hätten. Sie werden daher auch auf der Demo zu Wort kommen. Die Situation für viele Wirtschaftsunternehmen sei sehr schwierig, sagt Michael Buchner, der selbst einen Metallbaubetrieb in Eichstätt hat. „Wir brauchen Planungssicherheit, und die gibt es gerade nicht.“
Kritisieren kann man sicher vieles an der Politik der Ampel. Und dass Deutschland zuletzt als einzige große europäische Wirtschaftsnation in eine leichte Rezession gerutscht ist und damit zu den Schlusslichtern in Europa zählt, findet nicht nur Muhr bedrohlich, sondern die gesamte Wirtschaftsnation. Es sind also auch berechtigte Sorgen in Zeiten schwacher Konjunktur, und man kann vieles kritisieren. Aber nicht nur OB Grienberger sieht darin auch grundsätzlichere Diskussionen nicht nur um die Migration, sondern zum Beispiel auch um die Sozialsysteme und die Art, wie in der Bundesrepublik Steuergelder umverteilt werden. Ungerechtigkeitsdebatten, wirtschaftliche Sorgen in Zeiten steigender Preise, aber auch Sorgen der Unternehmer und eben der Landwirte, die sich durch immer neuer Regeln und Vorschriften von einem übergriffigen Staat gegängelt fühlen, bieten viel Sprengkraft – Sprengkraft, die radikale Kräfte nutzen wollen – in dem sie Angst, Neid, Wut schüren, eine Spaltung befördern.
Die Angriffe auf die Ampel – mit „Ampel-Bashing“ gibt es schon einen eigenen Begriff dafür – werden natürlich auch von Rechtsextremen instrumentalisiert – da wird auch jedwede parlamentarische Debatte angezweifelt und lächerlich gemacht. Auch im Rahmen mancher Bauernproteste in ganz Deutschland wurde sicher immer wieder die eine oder andere einschlägige Botschaft verbreitet. Dabei muss man aber genau hinsehen, und sich im Zweifelsfall auch klar distanzieren – wie schon bei den Coronademos: Nicht jeder, der hier mitmarschiert ist, war gleich ein Rechtsradikaler, aber wer neben deutlich erkennbar Rechtsradikalen herläuft, braucht sich umgekehrt auch nicht zu wundern, wenn er entsprechend eingestuft wird. Da ist auch Zivilcourage gefragt, um versteckten oder offenen Hassbotschaften im Alltag zu begegnen.
Schubladendenken „rechts und links“ kontraproduktiv
Dennoch: Jeden bei einem falschen Wort in die rechte Ecke zu stellen, wäre falsch und auch kontraproduktiv, findet auch Hans Scharl, der Kreisobmann des Bauernverbandes, der bei der Demokratie-Demo von „Wir sind Eichstätt“ am Marktplatz gesprochen hat und sich auch einen gesellschaftlichen Schulterschluss aller Demokraten wünscht – seien sie eher sozial, liberal oder konservativ. Er ist mit dem Bauernverband an der „BürgerDemo“ am Volksfestplatz nicht beteiligt, aber er will die Kollegen des konkurrierenden LSV auch in Schutz nehmen. Man habe ein gutes Verhältnis und er kenne die Kollegen. Da sieht Scharl keine rechtsradikalen Tendenzen auch für die Veranstaltung. Immer gleich alles als rechts oder links abzutun und in Schubladen zu stecken, sei kontraproduktiv.
In der Tat: Es bedient letztlich den Opfer-Mythos der AfD, die zwar ständig verbal attackiert und provoziert, aber sich selbst dann immer als Opfer präsentiert. Das haben die Rechten weltweit gemeinsam: Donald Trump in den USA ist einer der größten Aggressoren, der permanent seine politischen Gegner beleidigt, aber inszeniert sich ständig als Opfer – und sei es nur einer wie auch immer gearteten Verschwörung. Wie die aussieht und funktioniert? Das bleibt der Fantasie seiner Anhänger überlassen. Inzwischen haben sie sogar Starsängerin Taylor Swift als Teil einer Verschwörung ausgemacht, die angeblich den Superbowl im American Football nutzen wolle, um Trumps Wahl zum US-Präsidenten zu verhindern. Belege? Wie immer bei Trump und seinen „Followern“: Fehlanzeige.
Es muss am Ende um Fakten und Argumente gehen, sonst wird es schwierig mit der Demokratie. Und es muss in einem gewissen Rahmen auch Vertrauen geben – gegenüber der Regierung genauso wie gegenüber denjenigen, die sie vielleicht emotional, aber sachlich kritisieren. Wer das Vertrauen aber missbraucht und permanent durch selbst erschaffene oder auch nur zu eigen gemachte Fake News und Lügen auffällt, wie rechte Kreise das permanent tun, der hat auch das Recht auf diesen Vertrauensvorschuss verwirkt und Misstrauen verdient.
Umso wichtiger ist es, auch immer klare Grenzen zu ziehen und auch immer klar zu sagen, wo man steht. Das wollten die Veranstalter nun offenbar auch tun. In einer zweiten Version des Flyers steht nun seit Sonntag ergänzt: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeglichen links- und rechtsextremen Gruppierungen!“ Die Inhalte haben sich indes nur leicht verändern. Statt Ende der Waffenlieferungen“ heißt es dort nun „Frieden schaffen ohne Waffen“ – was sich inhaltlich kaum unterscheidet. Man wird sehen, was vor Ort geschieht und gesagt wird. Die Veranstaltung wird aufmerksam beobachtet werden.
Update vom 12. Februar 2024:
Enrico U. hat inzwischen alle bisherigen Posts gelöscht und folgende Nachricht veröffentlicht:
„Ich distanziere mich ausdrücklich von links- und Rechtsradikalismus sowie auch Extremismus“.