Eichstätt. – Jeder kennt es, aber niemand redet so gerne darüber: Scheitern und Entscheidungen, die vielleicht schiefgehen. Die Eichstätter Wirtschaftsjunioren dagegen haben am Mittwochabend genau das getan. Gemeinsam mit Michaela Forthuber, Gründerin der „Fuckup-Night“ in München, thematisierten sie die Angst vor dem Scheitern und den Mut zu Entscheidungen – ein Thema, dass offenbar viele Menschen interessiert und bewegt: Der Spiegelsaal im Eichstätter Landratsamt musste mit zusätzlichen Stuhlreihen bestückt werden, um allen Interessenten Platz zu machen. Kein Wunder: Wer würde nicht gerne gute Entscheidungen treffen und manchmal auch mehr Mut dazu haben?
Der Spiegelsaal in der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz hat zwar auf den ersten Blick keine Start-up-Atmosphäre mit Lounge-Möbeln und dem obligatorischen Kicker, wie man sie nicht nur dem Klischee nach in so vielen jungen Unternehmen findet. Aber dennoch wehte am Mittwochabend ein Hauch von Gründergeist durch die altehrwürdigen Gemäuer – nicht nur, weil die Wirtschaftsjunioren geladen hatten, von denen viele selbst junge und erfolgreiche Unternehmer sind, sondern auch wegen des Themas, das nicht nur für Gründer, sondern auch alle anderen zeitlebens wichtig ist: „Die Macht der Entscheidung – wie wir die Angst vorm Scheitern überwinden“.
Scheitern gehört zur „Start-up-Welt“
Nicht umsonst hatten Kreissprecher David Capriati und sein Team Michaela Forthuber eingeladen, die Veranstalterin der „Fuckup-Night“ München, bei der sich regelmäßig Unternehmer und Interessierte nicht nur, aber besonders aus der Gründerszene treffen, in der schwierige Entscheidungen und der Mut dazu fest zum täglichen Repertoire gehören. „Fuck-up-Partys“ sind in der an Anglizismen reichen Start-up-Sprache nicht nur in den USA seit Jahren gefragt, sondern auch in Deutschland. Es geht bei diesen Veranstaltungen um das große Scheitern von oft mit großen Ideen und Visionen gestarteten neu gegründeten Unternehmen – und darum, das auch zuzugeben, um eine andere Fehlerkultur und letztlich darum, anderen damit Mut zu machen. Zur Start-up-Welt gehört das Scheitern fest dazu – schließlich schaffen es in der schnelllebigen Gründerwelt des Silicon Valley und auch anderswo weltweit nur die allerwenigsten Neugründungen, sich am Markt zu etablieren oder sogar richtig groß zu werden. Viele scheitern also irgendwann.
Wie also überwinden Gründer die Sorge, dass es ihnen genauso geht? Wie trifft man richtige Entscheidungen, wenn es einmal schwierig wird? Diese und Fragen stellen sich auch erfolgreichen Unternehmern immer wieder – und sie standen auch bei dem einmal mehr kurzweiligen Abend der Eichstätter Wirtschaftsjunioren im Zentrum. Entscheidungen seien immer ein Zusammenspiel aus Bauch, Herz und Kopf – also rationalen Überlegungen und Fakten, die im Kopf verarbeitet werden, den Gefühlen, die man dem Herz zuschreibt und dem berühmten Bauchgefühl. Das machte die Gründungsberaterin Michaela Forthuber in ihrem Impulsvortrag zu Beginn deutlich.
„Gescheiterte Milliardärin“
Gerade bei schwierigen Entscheidungen sei es hilfreich, mehr über die Abläufe des Entscheidungsprozesses und vor allem über sich selbst herauszufinden: vor allem, inwiefern die drei „Kompetenzzentren“ Kopf, Herz und Bauch jeweils die Neigung zu einer Entscheidung beeinflussen. Alle drei seien dabei wichtig und ständen für Orientierung und Sicherheit, Gefühl und Intuition, Autonomie oder Beziehungen und Verbundenheit. Die Mischung ist dabei jeweils individuell: Manche entscheiden ganz schnell und aus dem Bauch heraus, andere zweifeln, zögern, hadern mit sich, und das Entscheidungsverhalten verändere sich zudem nach Erfahrung und mit zunehmendem Alter. Wer mehr über diese verschiedenen Dimensionen des Entscheidungsprozesses und letztlich auch sich selbst wisse, der könne auch fundierter entscheiden, so Forthuber, die als Coach (werdende) Unternehmer berät und sich selbst daher auch als „Entscheidungsarchitektin“ sieht.
Als „gescheiterte Milliardärin“ wurde sie auch schon öfter bezeichnet, weil sie vor Jahren auf der Suche nach einer Unterkunft bei einer Auslandsreise auf die Idee einer internationalen Suchplattform für private Unterkünfte gekommen, mit ihrem Finanzierungskonzept aber bei der Bank gescheitert sei, so Forthuber. Statt weiterzukämpfen gab sie auf. Wenige Jahre später hätten dann zwei junge Männer Airbnb gegründet und seien mit derselben Idee zu Milliardären geworden. Dass solche großen IT-Unternehmen häufig in den USA entstünden, habe mit vielen Faktoren zu tun, aber eben auch mit einer anderen Kultur des Scheiterns – davon ist auch Thomas Hirsch überzeugt. Die weltbekannte „German Angst“, also die Zurückhaltung aus Angst davor, dass etwas schiefgehen könnte, müsse ein Stück weit überwunden werden. Der Eichstätter Unternehmer, der sich mit 21 selbstständig gemacht hatte und über die Jahre sein Unternehmen Hirsch Engineering Solutions erfolgreich aufgebaut und inzwischen auch den Eichstätter Co-working-Space „Oaktown Office“ mitgegründet hat, war unter anderem im Silicon Valley unterwegs und bewundert auch die dort vorhandene Gründermentalität, in der Scheitern meist nur ein Grund sei, daraus zu lernen und es erneut zu versuchen.
„Plan B ist, dass Plan A funktioniert“
Gemeinsam mit Forthuber, dem Eichstätter Oberbürgermeister und Annemarie Grund, die selbst mit ihrem eigenen Unternehmen gescheitert war und inzwischen als Coach für Startup-Finanzierung und Digitale Gründerzentren am „BayStartUP“ berät, diskutierte er über die Angst vor und den Mut zur Entscheidung. Für Hirsch kommt der Mut zu schwierigen Entscheidungen aus einem selbst: aus der Überzeugung, aus der eigenen Vision und Mission und aus dem Ziel, von dem man überzeugt sein müsse und so dass man dann auch entsprechend dafür brenne. Wenn die Mission klar sei und man davon überzeugt sei, seien manche Entscheidungen auf dem Weg dahin auch einfacher. „Plan B ist, dass Plan A funktioniert“ – diesen Spruch habe er einmal bei einem Kunden gelesen. Für ihn sei es aber auch gerade das Scheitern, die vielen Erfahrungen in positiver, wie auch gerade in negativer Hinsicht, die wertvoll und wichtig gewesen sein und ihm den Mut und die Kraft zu neuen Entscheidungen gäben, so Hirsch. „Scheitern ist der schönste Ort, zu lernen.“
Er habe schon gestandene Männer und Frauen mit viel Berufserfahrung schwanken und ins Schwimmen kommen sehen, sagte der Eichstätter Oberbürgermeister Josef Grienberger, der vor seiner Zeit im Rathaus in der Unternehmensberatung im insolvenznahen Bereich auch bei großen Unternehmen tätig war. Gerade in solch kritischen Situationen, wo es zum Teil um Existenzen gehe, sei es wichtig, erst einmal den Betroffenen menschliche Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln, sie an die Hand zu nehmen, ihnen zu helfen – damit sie dann eben wieder bessere Entscheidungen für eine erfolgreichere Zukunft für sich und ihr Unternehmen treffen könnten.
Ein wichtiger Faktor für gute Entscheidungen sei auch Transparenz, so Grienberger: gut und klar zu kommunizieren, die Mitarbeiter dabei mitzunehmen, Meinungen einzuholen und dann auf der Basis der Fakten aber auch den Mut zu finden, zügig zu entscheiden. Denn oft spiele auch Geschwindigkeit eine Rolle, so der OB, der aber auch Unterschiede zwischen wirtschaftlichen und politischen Prozessen sieht. Scheitern gehöre für ihn auch immer ein Stück weit zu seiner neuen Aufgabe in der Politik. Schließlich ist gerade in der Politik immer der Kompromiss gefragt – und das heißt eben oft, dass es nicht ganz so kommt, wie man sich selbst das vorgestellt hat. Es sei daher oft eher eine Frage, wie man Scheitern überhaupt definiere.
„Was treibt mich an?“
In einer Demokratie gehört der Kompromiss, der gesellschaftliche Ausgleich zwischen Interessen und Meinungen, eben fest dazu. Und so sei es für ihn eben nicht unbedingt ein Scheitern, wenn der Stadtrat etwas anderes entscheide, als er und seine Verwaltung es vielleicht vorgeschlagen hätten. Das sei für ihn auch Teil des demokratischen Prozesses. Dennoch versuche er natürlich gemeinsam mit seinem Team Entscheidungen auch politisch so gut vorzubereiten, dass man auch die eigenen Ziele dabei erreichen könne, so das noch junge Stadtoberhaupt. Gutes Management sei daher auch keine Frage des Alters.
„Die wichtigste Entscheidung im Leben ist die Entscheidung für einen selbst“, bilanzierte Annemarie Grund auf die Frage von Moderatorin Andrea Funk, die selbst Senior Product Managerin beim Food-Startup „Organic Garden“ ist, das gerade einen Coup gelandet und FC-Bayern-Star Thomas Müller als Investor gewonnen hat, und die als Moderatorin charmant durch den Abend führte. Viele Gründer hätten oft den Wunsch, etwas zu bewegen, etwas zu verändern. Es gehe oft darum, sich selbst darüber klar zu werden: Was treibt mich an? Was sind meine Werte? Was ist meine Vision? „Wenn ich genau weiß, was ich will, dann quälen einen auch die schwierigen Fragen auf dem Weg dahin viel weniger“, so Grunds Fazit.
Positive Sichtweise statt Angst
Aber egal, ob als Gründer oder in einer anderen Lebenssituation – wie so oft ist vieles im Leben eben auch eine Frage der Perspektive: Aussagen von Sportstars wie Basketball-Superstar Michael Jordan und anderen belegen eindrucksvoll, dass sie gerade durch Niederlagen gereift und gewachsen und letztlich vielleicht vor allem deshalb so erfolgreich geworden seien. Auch wenn im Moment des Scheiterns manchmal eine Welt zusammenzubrechen scheint – sie tut es eben meist doch nicht, sondern man lernt mehr über sich selbst. Seine bisher beste Entscheidung sei die gewesen, zu erkennen, dass die Augenerkrankung, die ihn stark in seinem Sehvermögen behindere, nun einmal da sei, dass es aber eben auch viel schlimmer sein könnte, so der Oberbürgermeister unter dem Applaus des voll besetzten Spiegelsaals.
Mut zur Entscheidung sei das eine, so Grund. Aber echter Mut sei eher das, was die starken Frauen im Iran machten, um gegen das Mullah-Regime und für Veränderung zu demonstrieren, so Grund passend am Abend des Internationalen Frauentags. Dass es eben nicht immer nur um beruflichen Erfolg geht, machte auch die schwungvoll-positive, aber auch gefühlvolle Eigenkomposition des jungen Pianisten Luca Frey deutlich – oder auch ehrenamtliches Engagement, das unter anderem solche Abende möglich macht, und der Austausch mit anderen, wie auch David Capriati als Kreissprecher der Wirtschaftsjunioren sagte. Und so war es keine echte „Fuck-up Night“ im Spiegelsaal – denn es ging weniger um das Scheitern, als viel mehr um den Mut, keine Angst vor dem Scheitern zu haben. So gesehen war es ein Mutmacher-Abend: „Plan A“ ist an diesem Abend voll aufgegangen.