Eichstätt/Ingolstadt. – „Liebe erkennt“ heißt das Motto der Caritas-Frühjahrssammlung vom 6. bis 12. März. Was das heißt, kann am Beispiel des Caritas-Frauenhauses in Ingolstadt deutlich werden: Das Frauenhaus sieht oder erkennt den Hilfebedarf der Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen und bedroht sind. Da die Einrichtung eine anonyme Schutzadresse hat, melden sich die Frauen zunächst telefonisch. Im ersten Kontakt wird schnell klar, welche Hilfe die Frau benötigt. „Wir führen mit den Frauen ein liebevolles und einfühlsames Beratungsgespräch. Hierzu gehören unter anderem Zuhören, Trösten, Wertschätzung, Akzeptanz und liebevolles Nachfragen“, erklärt Einrichtungsleiterin Andrea Schlicht.
„Liebe erkennt“, heißt das Motto nicht umsonst. Zu dieser sorgenden Nächstenliebe ghöre aber zunächst auch das Pragnatische und Wesentliche: „Wenn die Frauen mit Ihren Kindern schnell flüchten mussten, kann es sein, dass Trinken, Nahrung, Kleidung und ein sicherer Wohnraum essentiell sind“, erklärt Schlicht. „Alle brauchen zunächst Schutz und Sicherheit. Das weitere Vorgehen ist dann immer individuell. Auch für das Projekt „Frauenhaus Plus“, das durch die Caritas-Frühjahrssammlung gefördert wird, ist es von zentraler Bedeutung, den jeweiligen Hilfebedarf zu erkennen und die betroffenen Frauen bedarfsorientiert zu unterstützen.
Die Hilfe beginnt mit dem Einzug in eine eigene Wohnung. Auch hier gilt es schon zu erkennen, wo Ressourcen, Stärken und Potentiale der Betroffenen vorhanden sind. „Manche Frauen schaffen es alleine, sich Möbel und Handwerker zu organisieren, andere brauchen hierbei Unterstützung, nennt Andrea Schlicht ein Beispiel und ergänzt: „“Wenn die Frauen das alleine schaffen, kann das enorm ihr Selbstbewusstsein und ihren Lebensmut stärken. Wichtig ist dabei immer, auch dies entsprechend wertzuschätzen und diesen Erfolg hervorzuheben.“
Rund 25 Frauen jährlich suchen Zuflucht
26.000 Euro kommen dem Programm „Frauenhaus Plus“ aus der Frühjahrssammlung zugute, um dessen Personal- und Sachkosten zu decken. Jedes Jahr werden im Ingolstädter Frauenhaus rund 50 Frauen mit ihren Kindern aufgenommen und intensiv begleitet. Nach dem dortigen Aufenthalt stehen sie mit dem Einzug in eine neue Wohnung jedoch oft vor vielfältigen Problemen. In dieser Phase werden sie seit dem Jahr 2019 von einer Beraterin begleitet und unterstützt. Dieses nachgehende ambulante Beratungsangebot „Frauenhaus Plus“ nimmt nahezu jede Frau, die aus dem Frauenhaus auszog, in Anspruch. Im Durchschnitt tun dies jährlich 25 Frauen. Die Betreuung variiert von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten. „Die Frauen mit Ihren Kindern erhalten vor allem Unterstützung durch persönliche Beratungstermine, also Hausbesuche, oder Termine im Frauenhaus, durch telefonische Beratungen und Gruppenangebote – so wie sie es individuell benötigen“, informiert Andrea Schlicht.
Die Beraterin des Programms hat dabei eine Lotsenfunktion: „Sie begleitet etwa zu nahegelegenen Geschäften, Ärzten oder Sportvereinen. Und sie vermittelt bedarfsorientiert beispielsweise die Erziehungsberatung, Migrationsberatung, Alleinerziehendenberatung oder Allgemeine Sozialberatung der Caritas – immer mit dem Ziel der eigenständigen Lebensgestaltung und weitergehenden Stabilisierung und Stärkung der im Frauenhaus erlernten Fertigkeiten und Fähigkeiten“, so die Frauenhausleiterin.
Im Rahmen von „Frauenhaus Plus“ geschieht das vor allem in Form von Gesprächen mit der Mitarbeiterin. „Speziell geht es um das Erkennen und Ausdrücken der eigenen Gefühle und Bedürfnisse, das Aufzeigen von Grenzen, die Schulung von Stimme und Körpersprache und das Erlernen, Kritik angemessen zu äußern. Eine Stärkung kann aber auch durch das eigene Ausfüllen eines Antrages oder die Teilnahmen an einem Sprachkurs erfolgen.“
Gerade in der Anfangszeit gibt es viele verschiedene Dinge, mit denen die Frauen konfrontiert sind: Möbel, Jobcenter, Ummeldung und anderes mehr. „Und nach dem Einzug in eine eigene Wohnung fühlen sich viele Frauen in ihrer Wohnung oft allein und suchen nach Anknüpfungspunkten im sozialen Umfeld. Sie brauchen in dieser Phase dringend themen- und bedarfsentsprechende Begleitung und Unterstützung, um den Weg der Gewaltfreiheit weiter gehen zu können“, erklärt Schlicht. Längerfristig nehmen mehrere Frauen auch gerne das Angebot des Ehemaligentreffens alle zwei Monate im Frauenhaus wahr. Hier tauschen sie sich bei Kaffee, Tee, Obst und Keksen mit anderen ehemaligen Bewohnerinnen aus.
Ziel: selbstbestimmtes Leben
Die betreuten Frauen erfahren die Nachbetreuung als große Unterstützung – unabhängig davon, ob ein kurzer Kontakt oder eine regelmäßige Nachbetreuung erfolgt ist. „Die Resonanz zeigt, dass das Projekt ‚Frauenhaus Plus‘ in der Region 10 weiterhin dringend notwendig ist“, erklärt dessen Leiterin Andrea Schlicht. „Auch kooperierende Einrichtungen haben rückgemeldet, dass es eine Entlastung sei, dass bei Klärungsbedarfen noch eine weitere Ansprechpartnerin zur Verfügung steht.“
Dazu gehören unter anderen das Jobcenter, das Wohnungsamt und verschiedene Beratungseinrichtungen, aber auch Arbeitgeber, Schulen und Kindergärten. „Oberstes Ziel aller Angebote und Maßnahmen ist ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben. Wir wollen einen Drehtüreffekt verhindern, sprich: Die Frauen sollen nicht wieder in eine gewalttätige Beziehung geraten“, betont die Frauenhausleiterin. Peter Esser