Eichstätt. – Es war ein launiger Auftakt am Freitagabend für eine Ausstellung voller Widersprüche, die aber bei genauerem Hinsehen durchaus gut harmonieren. Die neue Ausstellung „Para-Dox“ der drei Künstler Georg Fieger, Helmut Reuter und Stefan Weyergraf, gen. Streit in der ehemaligen Johanniskriche in Eichstätt nähert sich dem Begriff „Paradox“, also der Welt der Widersprüche. In der Ausstellung finden sich aber in all den Widersprüchen auch viele überraschende Harmonien.
„Eeendlich“, so sagte Georg Fieger zu Beginn gleich mehrfach – „endlich“ gebe es wieder Raum für Kunst und Ausstellungen, endlich die Möglichkeit, sich zu treffen, sich auszutauschen. Die Erleichterung darüber war nicht nur ihm am Freitagabend anzumerken, sondern auch den über 100 Besuchern der Vernissage des Künstlertrios, das bereits zum wiederholten Mal in der Eichstätter Johanniskirche ausstellt – nach der Corona-Pause nun „endlich“ wieder.
Welt voller Widersprüche
Die Pandemie ist nur eine von vielen einer an Krisen reichen Zeit, die vielen aus den Fugen geraten zu sein scheine, so Barbara Huber-Kraus in ihren einführenden Worten, in denen sie sich dem Ausstellungsthema „Paradox“ von verschiedenen Seiten näherte – etymologisch, lyrisch oder auch humorvoll, und nicht zuletzt aus ihrer Erfahrungswelt als Psychotherapeutin, die sich auch mit psychosomathischen Themen beschäftigt. Eine Welt voller Widersprüchlichkeiten erzeuge Spannungen, Verwirrung und innere Aufruhr, auf die Menschen auf unterschiedliche Art und Weise reagierten – etwa mit Angst, Aggression oder aber mit Rückzug und Passivität.
Aber der Mensch sei eben auch in der Lage anders damit umzugehen – zum Beispiel mit Kreativität: mit Kunst oder Musik, die beide auch von Spannungen und Widersprüchen lebten. Und so stimmte sie als Einstimmung Schuberts Lied „Der Tod und das Mädchen“ an, das von Moll nach Dur wechsle und den Tod nach romantischer Lesart eben auch als angenehmen Gefährten und gleichberechtigten Partner des Lebens sehe – ein Motiv, das sich auch in der Ausstellung wiederfindet.
Helmut Reuter etwa zeigt aus seiner Serie „Hände“ das Bild einer Hand, die einen gerade am Eichstätter Kappelbuck gefangenen Fisch tötet, damit er ernähre und dadurch Leben spende. Eine andere Fotografie zeigt die helfenden Hände des Mediziners während einer Tumoroperation. An anderer Stelle zeigen die Gemälde von Georg Fieger und Stefan Weyergraf, gen. Streit ebensolche Widersprüche: bunte Blütenwelten auf schwarzem – und damit nichtfarbigem, totem Hintergrund.
Die drei befreundeten Künstler ergänzen sich dabei in verschiedener Hinsicht recht gut – auch, weil sie sich eben unterscheiden. Stefan Weyergraf ist eher der expressionistische Maler, der die Welt in farbige Erlebnis- und Gefühlswelten verwandelt, die je nach Stimmung eher aufwühlen oder mitreißen – in jedem Fall aber nicht kalt lassen. Fieger dagegen geht diesmal eher rational-planvoller vor: Originale Schnittmuster von Kleidungsstücken geben seinen Bildern klare, pragmatische Linien, denen er durch abstrakt entworfene und oft nur angedeutete menschliche Wesen Tiefe verleiht und sie in ein Spannungsverhältnis setzt – auch hier bei beiden Malern nicht frei von Widersprüchen.
Kirchenkritik in Bildform
Weyergraf etwa lässt die Schafe von der Weide ausbrechen, während vom Hirten nur der symbolische Bischofsstab geblieben ist. Und Fiegers „Schutzbefohlene“ zeigt silhouettenhaft von Düsternis umgebene und im gotischen Kirchenfenster-Spitzbogen mit Gittern gefangenen jungen Wesen – ein Hinweis auf die Missbrauchsfälle in der Kirche.
Dabei ist Weyergraf studierter Theologe und Kirchenmaler, Reuter ehemaliger Priester und Religionslehrer, und die Ausstellung ist in der ehemaligen Johanniskirche zu sehen, die längst profaniert und damit eben keine Kirche mehr ist. Widersprüche oder nicht, die Ausstellung „Paradox“ spielt mit genau solchen Spannungsverhältnissen – auch in der Anordnung der rund 80 Werke, die auf den ersten Blick nicht immer einer stringenten inneren Logik folgen, aber gerade deshalb Spannung aufbaut.
Manchmal sind es auch die Farben, die hier für überraschende Ansichten sorgen – nicht nur in Weyergrafs Bildern wie etwa im zentral platzierten Werk eines Olivenbaums, dessen Kern wie vom Blitzschlag zerrissen scheint – gemalt am 24. Februar, als der russische Überfall auf die Ukraine begann. Auch Helmut Reuters Bild eines Eisblocks erfordert schon ein genaueres Hinsehen, wirkt das schmelzende Eisobjekt beinahe in Form eines Holzscheites aufgrund der warmen Farbgebung doch fast als könne es brennen oder zumindest warm leuchten – Feuer und Wasser sind hier zumindest optisch in einem Bild vereint.
Aber nicht nur in den Kunstwerken stehen hell und dunkel manchmal nur scheinbar im Widerspruch – sondern auch beim Bier: Stephan Becker, Professor am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie in Weihenstephan, hatte extra für die Vernissage zwei verschiedene Biere kreiert – ein helles mit fruchtigen Noten und ein dunkles Stout-Bier mit schokoladigen Tönen und leichten Röstaromen. Hell und dunkel gehen eben doch gut zusammen, wie auch viele der zahlreichen Besucher bei der Vernissage am gestrigen Freitagabend selbst feststellen konnten. Manches ist eben nur auf den ersten Blick widersprüchlich – und oft auch gar nicht so paradox, wie es anfangs wirken mag.
Die Ausstellung „Paradox“ ist noch bis einschließlich Mittwoch, 2. November, jeweils von 10 bis 19 Uhr in der ehemaligen Johanniskirche am Domplatz in Eichstätt zu sehen.