Eichstätt. – K.o. nach einem klassischen Leberhaken, blutige Cuts, technisch-taktisches Boxen, aber auch wilde In-Fights – das Volksfestboxduell zwischen dem heimischen Boxclub (BC) Eichstätt und der Staffel von Poruba Ostrava aus Tschechien war nicht ganz so spannend und boxerisch hochklassig wie etwa der Ländervergleichskampf zwischen den beiden Staffeln aus Bayern und Baden-Württemberg im letzten Jahr. Aber dafür hatten die elf Kämpfe eben vieles von dem zu bieten, was das Boxen nicht zuletzt in einem Bierzelt ausmacht. Am Ende stand ein klarer Sieg für die Eichstätter Staffel.
Beide Staffeln waren natürlich mit Verstärkung angetreten – die Zeiten, in denen der Boxclub (BC) Eichstätt mit seiner ganz eigenen Staffel in der Bundesliga erfolgreich war, sind lange vorbei. Dennoch lebt die große Eichstätter Boxtradition bei der Ausrichtung von Meisterschaften und natürlich auch einmal im Jahr beim Boxen im Ring im Eichstätter Volksfestzelt wieder auf – diesmal auch wieder mit einem eigenen Nachwuchstalent im Ring, das auch den weiter sehr aktiven Nachwuchs des BCE sichtbar machte: Enrico Haas machte nach der Begrüßung der Besucher durch Oberbürgermeister Josef Grienberger im mit rund 1.000 Zuschauern bestens besetzten Festzelt den Auftakt zum diesjährigen Volksfestboxen.
BCE-Eigengewächs Haas überzeugt
Das junge Eigengewächs ist durch seine Mutter auf das Boxtraining in Eichstätt aufmerksam geworden. Klar, da sei das Adrenalin und die Spannung im Ring. Aber Boxen sei auch ein ehrlicher Sport, sagt er. Beim Fußball sei es eine ganze Mannschaft. „Wenn ich beim Boxen verliere, dann weiß ich, dass ich alleine daran schuld war“, sagte er grinsend. In seinem Kampf war er insofern auch alleine dafür verantwortlich, dass er das Duell in der Klasse bis 60 Kilogramm durch die taktisch und boxerisch bessere Leistung verdient gegen den angriffslustigen und deutlich größeren Hussein Anwari gewann.
Es folgte eines der spannendsten Duelle, das Zakarie Nur für den BC Eichstätt knapp für sich entschied – allerdings etwas fragwürdig. Nicht nur der erzürnte tschechische Trainer, sondern auch viele der Zuschauer und Box-Kenner um den Ring hatten in dem U19-Fight bis 57 Kilo eher den tschechischen Gegner Francecko Polak vorne gesehen. Ansonsten aber bekamen sie eher klare Kämpfe, manchmal auch mit einem Klassenunterschied, zu sehen – in den meisten Fällen zugunsten des wie beim Boxen gewohnt in blau-weiß antretenden Heimteams.
Wilder Schlagabtausch statt freundschaftlichem Sparring
So auch im dritten Kampf (U19 bis 57 Kilo), in dem Fabian Gruber, Gastboxer des TSV 1860 München, seinem Gegner Erik Balaz schnell eine blutige Nase verpasste und dem technisch und von der Schlagkraft her klar unterlegenen Tschechen auch ansonsten keine Chance ließ. So endete auch der Kampf vorzeitig mit einer Aufgabe aus der roten Ecke nach der zweiten Runde. Statt dem vierten Kampf, der wegen einer Verletzung der Altersgrenzen nicht stattfinden konnte, stand ein Einlagekampf auf dem Programm. Statt freundschaftlichem Sparring aber entwickelte sich ein wildes Gefecht, für das kurzfristig doch eine Ringrichterin einspringen musste – für diese nicht ganz einfache Aufgabe in einem recht unsauber geführten Schlagabtausch, die Maria Sedaia aber bravourös löste, gab es Sonderapplaus.
Auch das folgende Gefecht (bis 71 Kilo) wurde durchaus zu einem echten Fight mit offenem Visier und viel Kämpferherz. BC-Boxer Nick Schiemann kontrollierte zwar weite Teile des Kampfes, aber sein Gegner Rene Hruska wollte einfach nicht klein beigeben und probierte auch in Runde drei wild entschlossen schlagend noch einmal alles. Die Punkte blieben zwar zu Recht im Eichstätter Lager, aber für sein couragiertes Auftreten bekam der Tscheche mit dem Kämpferherz vom fairen und fachkundigen Publikum großen Applaus.
Comeback nach neun Jahren
Umgekehrte Vorzeichen in Kampf sechs (67 Kilo): Patrik Stefan, zweimal tschechischer Vizemeister mit bis dato 34 Siegen in 43 Kämpfen, zeigte hervorragendes Boxen und dominierte den weit unerfahreneren Bempe-Amet Niazi über alle drei Runden. Aber auch hier gab es Applaus für den Unterlegenen: Denn der Eichstätter Boxer ist bereits 28, bestritt heute aber erst seinen neunten Kampf (fünf Siege) – und der heutige Fight war für Niazi das Comeback nach neun Jahren Pause. Dafür zeigte er eine couragierte Leistung gegen einen Klasseboxer, der damit nicht nur den einzigen Sieg heute für die Gäste holte, sondern auch den vom langjährigen Eichstätter Trainer Alexander Angermann gestifteten Pokal für den technisch besten Boxer der Gäste erhielt.
Angermann und zahlreiche andere Eichstätter Box-Legenden hatten in der Pause ebenfalls einen Auftritt im Boxzelt – von Sharafa Rahman bis zum einstigen WBF-Weltmeister Leven Cukur, der heute seine Kämpfer zur Verstärkung nach Eichstätt geschickt hatte, Sergej Hakopyan, Tuncay Kasim und dem heutigen Trainer Mehmedalija Suljic, der inzwischen Enrico Haas trainiert.
Nach der Pause wurde es hochklassig – und im wahrsten Sinne des Wortes – schlagkräftig: Während es bei Seva Yurievski (bis 71 kg) gegen den BCE-Vertreter Mhoyan Alik noch recht taktisch zuging – am Ende mit einem verdienten Punktsieg für Alik –, zeigte die Eichstätter Staffel am Ende mit das Beste, was das bayerische und deutsche Boxen zu bieten hat. Yasse Cisse (86 kg), Dritter bei den Deutschen Meisterschaften im vergangenen Jahr, machte von Beginn an klar, dass er keine Gefangenen machen wollte. Nach einem satten Aufwärtshaken landete sein Gegner Dominik Wenglarzy schon in der ersten Runde unsanft auf dem Ringboden, und der ungleiche Kampf war schnell entschieden. Anschließend zeigte die polnische Verstärkung Mateusz Kovallzyk (bis 92 kg) auf tschechischer Seite gegen den überlegenen Martin Kerime, dass er nicht dasselbe Schicksal erleiden wollte und wehrte sich nach Kräften. Aber auch er wurde bald angezählt und hatte einen tiefen Cut über dem rechten Auge, und Ringarzt Hubert Grienberger beendete schließlich das Gefecht.
Filipovic und Botikali machen es kurz
Schnell ging es auch im zehnten Kampf, als der mehrfache bayerische Meister Deni Filipovic (bis 75 kg), ebenfalls Bronzemedaillengewinner bei den Deutschen Meisterschaften 2023, seinen Gegner Wladimir Skalsky in der ersten Runde per klassischem Leberhaken ausknockte. Und dann zeigte noch Randy Botikali, warum er ebenfalls zu den Allerbesten seiner Gewichtsklasse in Deutschland zählt und am Olympiastützpunkt in Heidelberg trainiert: Martin Mach, der immerhin 32 Siege in 44 Kämpfen vorweisen kann, wehrte sich tapfer, hatte aber gegen den ebenso flinken, wie technisch perfekten Deutschen Vizemeister keine Chance. Nachdem er seinen Gegner aus Tschechien kontrolliert und bearbeitet hatte, war es am Ende ein Schwinger, der den Kampf per technischem K.o. in der zweiten Runde vorzeitig beendete – und zeigte, dass Botikali nicht nur für die anstehenden Deutschen Meisterschaften bereits gut in Form ist, sondern vielleicht eine große Karriere vor sich hat, wie auch Ringsprecher Uwe Schilhaneck prognostizierte.
Das sieht auch Gerhard Heubusch vom BC Eichstätt so. Zwar habe man diesmal vorab nicht so ganz genau gewusst, was da von tschechischer Seite in den Ring steigen würde. Dennoch seien es hochklassige Kämpfe gewesen und eben auch die eine oder andere Überraschung – vor allem aber die ganze Palette des Boxsports. „Ich bin sehr zufrieden – auch mit dem Zuspruch durch das Publikum. So viele Zuschauer hatten wir selten.“ Freuen durfte er sich auch über den 17:11-Sieg, der wesentlich deutlicher war, als sich das für Box-Laien anhört: Eichstätt gewann neun der zehn gewerteten Kämpfe. Und so arbeitet man bereits an einem neuen Plan für das nächste Jahr. Dann könnten es wieder die deutschen Top-Boxer sein, die sich in einem Ländervergleichskampf gegenüberstehen, verrät Heubusch.
„Harte Nüsse“ aus Ostrava: BCE kämpft am Sonntag im Festzelt