Eichstätt. – Die Baukonjunktur stottert – in Deutschland wie auch im Landkreis Eichstätt (Eichstätter Journal berichtete unter anderem in den Ausgaben 05/23 und 03/24 – siehe Heftarchiv). Gleichzeitig steigt der Bedarf – auch durch das Bevölkerungswachstum (siehe auch Eichstätter Journal Ausgabe 02/2024). Es muss also gebaut werden: Bis 2028 braucht der Landkreis Eichstätt den Neubau von rund 810 Wohnungen – und zwar pro Jahr. Diese Wohnungsbau-Prognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut in einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt ermittelt.
„Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen im Landkreis Eichstätt aktuell rund 860 Wohnungen – abzubauen: Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. „Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt“. Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt bereits zum wiederholten Mal im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt.
Günther erwartet, dass das Baupensum allerdings zurückgeht: Der Wissenschaftler spricht von einem „lahmenden Wohnungsneubau, dem mehr und mehr die Luft ausgeht“. So gab es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres nach Angaben des Pestel-Instituts im ganzen Landkreis Eichstätt lediglich für 264 neue Wohnungen eine Baugenehmigung. Zum Vergleich: In 2023 waren es im gleichen Zeitraum immerhin noch 306 Baugenehmigungen. „Damit ist die Bereitschaft, im Kreis Eichstätt neuen Wohnraum zu schaffen, innerhalb von nur einem Jahr um 14 Prozent zurückgegangen“, sagt Matthias Günther.
An dem Wohnungsbedarf im Kreis Eichstätt ändere auch die Zahl leerstehender Wohnungen nichts: Der aktuelle Zensus registriert für den Landkreis Eichstätt immerhin rund 2.980 Wohnungen, die nicht genutzt werden, so das Pestel-Institut. Das seien fünf Prozent vom gesamten Wohnungsbestand im Landkreis. Ein Großteil davon – nämlich rund 1.920 Wohnungen – stehe jedoch schon seit einem Jahr oder länger leer. „Das sind immerhin rund 64 Prozent vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden“, sagt Matthias Günther. Kritiker sehen die permanente Flächenversiegelung durch Neubauten (Eichstätter Journal berichtete in der Ausgabe 02/2024) kritisch und fordern eher Sanierungen und Nachverdichtungen. Auch das würde die regionale Bauwirtschaft begrüßen, wie Branchenverterter gegenüber Ei-live bestätigen.
Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig, so Günther. „Rund drei Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen überhaupt machen zu können. Aber es wird nur selten gelingen, Wohnungen, die lange leer stehen, wieder zu aktivieren und an den Markt zu bringen“, so Günthers Fazit.
Denn viele Hauseigentümer halten sich nach Beobachtungen des Instituts mit einer Sanierung zurück: „In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts. Außerdem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung.
Weitere Gründe, warum leerstehende Wohnungen nicht vermietet werden: „Immer wieder kommt bei Erbstreitigkeiten kein Mietvertrag zustande. Und oft scheuen sich Hauseigentümer auch, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen, mit dem sie sich am Ende vielleicht nicht verstehen“, sagt Matthias Günther. Für ihn steht deshalb fest: „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch im Kreis Eichstätt kein Weg vorbei.“
Für Katharina Metzger, die Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel, der die Studie finanziert hatte, macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei“, so Metzger. Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage. Die Bundesbauministerin hatte zuletzt den Menschen, die eine Wohnung suchen, geraten, aufs Land zu ziehen.
Für die Verbandschefin des Baustoff-Fachhandels steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch im Kreis Eichstätt das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert Metzger, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. Andernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Metzger warnt: „Am Ende stoppen überzogene Förderkriterien, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hoch geschraubten Klimaschutzmaßnahmen, ohne die es keine Förderung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“
Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: „Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät. Wer 400.000 Neubauwohnungen – darunter 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen – im Wahlkampf verspricht und im Koalitionsvertrag festschreibt, der darf nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden“, so ihre deutliche Kritik. Ohne eine deutlich stärkere staatliche Unterstützung gelängen weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderlichen Umfang.
Außerdem kritisiert Metzger gemeinsam mit den Wissenschaftlern des Pestel-Instituts den geplanten Bundeshaushalt für 2025: Darin fehlten dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Instituts mindestens zwölf Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit.
Auch die Perspektive sei schlecht: Bis 2028 wolle die Bundesregierung Sozialwohnungen mit weniger als 22 Milliarden fördern. „Das reicht hinten und vorne nicht. Und es ist ein willkürlich gegriffener Zeitraum, um eine vermeintlich hohe Milliardensumme in den Raum zu stellen. Doch die Wahrheit dahinter ist: Der soziale Wohnungsbau wird bei dieser Bundesregierung auch weiter auf der Strecke bleiben. Das müssen die Menschen den heimischen Bundestagsabgeordneten im Landkreis Eichstätt jetzt klarmachen“, so Metzger mit einer durchaus politischen Forderung, die sie als Branchenvertreterin der Bauwirtschaft stellt. „Nur wenn es massiven Druck vor Ort gibt, werden diese und die kommende Bundesregierung begreifen, wie ernst die Lage ist“, so die Logik der Lobbyistin, die jedoch weiter dunkle Wolken am Himmel der Bauwirtschaft sieht.
Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „einen regelrechten Absturz“. Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. „Die Neubau-Zahlen gehen in den Keller. Mauerstein-Hersteller zum Beispiel schließen Werke. Die Entlassungswelle rollt: Der Bau verliert Beschäftigte – darunter gute Fachkräfte. Dabei ist das das Letzte, was sich Deutschland jetzt erlauben darf“, so Metzger.
Die Verbandspräsidentin des Baustoff-Fachhandels warnt gemeinsam mit dem Pestel-Institut vor einer „Absturz-Spirale beim Wohnungsneubau“. Die Situation sei fatal: „Wohnungsnot trifft auf Nicht-Wohnungsbau. Diese toxische Entwicklung muss dringend gestoppt werden.“ Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Spannungen. „Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung kümmern müssen, dann braut sich da etwas zusammen. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft“, so ihr Fazit.