Eichstätt/Ingolstadt. – Am Ende steht der Abschied. Das Allerheiligste wird aus der Kirche getragen. Das ewige Licht gelöscht. Der Auszug erfolgt in Stille. Ab sofort ist die Kirche nur noch ein „normales“ Gebäude. Sie steht nicht mehr als Gottesdienst- und Gebetsraum zur Verfügung. Wenn am kommenden Sonntag der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke mit diesem Ritus die Profanierung der Kirche St. Monika in Ingolstadt vollzieht, dann blutet auch ihm das Herz. „Niemand gibt gerne eine Kirche auf. Auch ich weihe lieber eine neue Kirche ein, als dass ich sie aufgebe“, sagt er. Bischof Hanke sieht den Schmerz und die Verlustängste der Gläubigen von St. Monika. „Der Abschied tut weh. An diesem Ort wurden Kinder getauft, haben Menschen geheiratet, hat man sich von lieben Verwandten verabschiedet.“ Und dennoch: Die Profanierung ist unumgänglich. Und: Sie ist kein Einzelfall.
Profanierungen in Deutschland
Die Entwicklung in Deutschland spricht eine klare Sprache: Immer mehr Menschen verlassen die Kirche, die Zahl der Gottesdienstbesucher nimmt ab. Hinzu kommt die demografische Entwicklung oder die Abwanderung vieler Menschen aus früheren Wohngebieten, ebenso Zuzüge von Personen, die nicht mehr kirchlich gebunden sind. Kirchliche Gebäude werden hierzulande seltener genutzt als in früheren Zeiten. Dazu die enormen finanziellen Lasten, die mit einer angemessenen Bewahrung des Bestandes an Kirchengebäuden verbunden sind. Das sind bittere Realitäten, die die Kirche im Blick haben muss, wenn sie eine flächendeckende Seelsorge gewährleisten will. Darum wird in letzter Zeit vermehrt eine Umnutzung von Kirchengebäuden in den Blick genommen. In Eichstätt waren es im vergangenen Jahr 390 Kirchenaustritte – die Zahl bleibt also auch hier weiter auf hohem Niveau.
In den vergangenen 20 Jahren wurden in Deutschland über 500 katholische Kirchengebäude als Gottesdienstorte aufgegeben. Die meisten von ihnen bekamen eine andere Nutzung, einige wurden aber auch abgerissen. Das Bistum Essen hat sogar eine eigene Arbeitshilfe zur pastoralen und kommunikativen Begleitung von Kirchenschließungsprozessen entwickelt. Darin heißt es: „Wir brauchen bei Weitem nicht mehr so viele Orte, Räume und Kirchen wie noch vor einigen Jahren. Angesichts der kleiner gewordenen Zahl an Katholiken ist es sinnvoll, zusammenzurücken, um uns als Gemeinschaft erfahren zu können. Dazu braucht es neue Verbindungen untereinander, neue Formen des Gemeinschaftslebens und auch neue und verbindende Orte für unser kirchliches Leben.“ Und jetzt ist dieser Trend auch im Bistum Eichstätt angekommen. Zwar hat es in jüngerer Zeit schon zwei Profanierungen von kleineren Kirchen gegeben. Doch beide waren Notkirchen, die nach dem Krieg schnell errichtet wurden und mittlerweile einen Ersatz gefunden haben. In St. Monika hingegen stellt sich die Situation anders dar.
Erschütternd hoch liegt auch weiterhin die Zahl der Kirchenaustritte. Die von der evangelischen Kirche in Auftrag gegebene Kirchenmitgliedschaftsstudie stellt ferner fest, dass für mehr als die Hälfte der Bevölkerung Religiosität mittlerweile keine Rolle mehr spiele. Für einen nicht geringen Prozentsatz sei diese sogar überholt und schädlich. Und selbst Kirchenmitglieder geben nur noch zu einem Drittel an, dass sie an Gott glauben würden. Allerdings betont Bischof Hanke an dieser Stelle: „Die gegenwärtige Lage der Kirche und des Glaubens muss uns keineswegs mutlos machen.“ Als Jüngerinnen und Jünger Jesu, als Kirche, habe man auch heute der Welt etwas zu sagen! Der Auftrag Jesu „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium“ schickt die Jünger nicht zu Menschen, die bereits religiös sozialisiert sind. Jesu Sendung bedeutet für Bischof Hanke heute, den Säkularen, den Religiös-Distanzierten die frohe Botschaft von der Erlösung und vom kommenden Gottesreich zu erschließen.
Profanierung von St. Monika
Bereits vor einigen Jahren zeichnete sich ab, dass die Pfarrgemeinde von St. Augustin keine zwei Kirchen auf ihrem Gebiet mehr halten kann. Beide Kirchen, St. Augustin wie auch St. Monika, sind sanierungsbedürftig. Auch pastorale Gründe zeigten: Zwei Kirchen in einem Pfarrgebiet sind nicht mehr notwendig. Darum hatte sich die Kirchengemeinde schweren Herzens entschlossen, das Areal von St. Monika an die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt GmbH im Erbbaurecht zu vergeben. Mit dem Erlös soll die Pfarrkirche St. Augustin saniert werden. Ein Vorschlag, der auch im Bistum Eichstätt auf Zustimmung stieß. „Wir müssen das große Ganze im Blick haben“, sagt Bischof Hanke. „Wir tragen als Diözese Verantwortung für die Seelsorge an allen Orten. Überall möchten die Menschen in ihrer Kirche Gottesdienst feiern, möchten sie einen Ort haben, an dem sie Heimat finden. Und wir müssen dafür sorgen, dass dies auch in Zukunft möglich ist. Zur Beheimatung kann es förderlich sein, zusammenzurücken, sich nicht in kleine Gruppen zu zerteilen.“ Gerade im Hinblick auf abnehmende Ressourcen müsse man dann manchmal eine schwere Entscheidung treffen – so wie eben jetzt die Profanierung von St. Monika. „Aber“, meint Hanke. „Gerade auf dem Gebiet von St. Monika entsteht ja auch etwas Neues. Hier entsteht Wohnraum für Menschen, der dringend gebraucht wird. Auch das ist ein Aspekt: Wir als Kirche nehmen unsere Verantwortung für die Gesellschaft ernst.“
Und die Gläubigen von St. Monika?
Nicht jeder Anwohner im Gebiet von St. Monika teilt diese Ansicht. Die zum Teil wütenden Proteste gegen den bevorstehenden Abriss sind auch im Bistum Eichstätt gehört worden. Man hat mit den Vertreterinnen der Interessensgemeinschaft gesprochen. Auch die Kirchengemeinde von St. Augustin hat informiert: in Pfarrbriefen, Ehrenamtsabenden oder Gemeindeversammlungen. Jeder, der aktiv am Gemeindeleben von St. Monika teilnimmt, hätte sich im Vorfeld einbringen können. Aber klar ist eben auch: Es fällt schwer, eine Entscheidung mitzutragen, hinter der man nicht steht. Darum ist es der Gemeinde von St. Augustin ein Anliegen, die Gläubigen von St. Monika willkommen zu heißen. Zudem hat die Pfarrgemeinde nicht vor, sich aus dem Viertel zurückzuziehen. Es geht nicht um Rückzug, sondern um Weiterentwicklung in der nötigen Veränderung, in Gebäuden, die ressourcenschonend und wirtschaftlich unterhalten werden können.
All das schwingt mit, wenn Bischof Gregor Maria Hanke am Sonntag die Profanierung vollzieht. Sie ist auch für ihn „ein Wechselbad der Gefühle“. Aber in dem Schmerz des Verlustes liege auch eine Kraft: „Wenn die Menschen bedauern, dass ihnen ein Stück Heimat genommen wird, dann zeigt das doch auch die Kraft, die immer noch von der Kirche ausgeht: Kirche kann für die Menschen eine Heimat sein. In diesem Fall: Hoffnung auf eine neue Heimat.“ Für Hanke gilt die Devise: eine Gemeinde – eine Kirche. „Die Gemeinde versammelt sich um einen Altar. Die Feier der Eucharistie soll Kraft geben zum gemeinsamen Wachsen, für ein erneuertes Miteinander.“ Von daher steht am Ende doch nicht der Abschied – sondern ein Neuanfang.
Am Sonntag, 14. Januar, wird der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke den letzten Gottesdienst mit den Gläubigen von St. Monika in Ingolstadt feiern. Die Pontifikalmesse beginnt um 10 Uhr. Zu diesem Gottesdienst lädt die Pfarrgemeinde von St. Augustin besonders die Menschen ein, die eine besondere Beziehung zur Kirche von St. Monika haben, etwa Familien, deren Kinder in St. Monika getauft wurden, oder Ehepaare, die in dieser Kirche geheiratet haben.