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„Das weibliche Gesicht ist sichtbar“: Diözesanratsvorsitzender Gärtner über die Weltsynode in Rom

Diözesanratsvorsitzender Gärtner im Interview über die Notwendigkeit für Veränderungen

Eichstätt. – „Alle Themen, die uns auf dem Synodalen Weg in Deutschland beschäftigt haben, sind auch auf der Synode in Rom angesprochen worden“ – das sagt der Vorsitzende des Diözesanrats im Bistum Eichstätt, Christian Gärtner. Der Zwischenbericht der Weltsynode zeige auch, „dass Reformen auf Ebene der Weltkirche nicht so einfach passieren werden.“ Am meisten Mut mache ihm, dass bei dieser Synode erstmals das weibliche Gesicht der Kirche tatsächlich sichtbar geworden sei, sagt er im Interview in seiner Einschätzung zu dem Großereignis. Er warnt aber auch vor einem „Weiter so“ ohne echte Veränderungen.

Für Diözesanratsvorsitzenden Christian Gärtner sind die Reformforderungen des Synodalen Wegs in Deutschland auch bei der Weltsynode in Rom angekommen. Foto: Geraldo Hoffmann/pde

Frage: Bei den Debatten des Synodalen Wegs in Deutschland wurde bei den umstrittenen Themen oft auf die Weltsynode und die Weltkirche verwiesen. Wurden diese Themen jetzt in Rom behandelt und was ist das Ergebnis? Ist das im Zwischenbericht ersichtlich?

Christian Gärtner: Ja, nach allem, was ich über die Synode in Rom gelesen und gehört habe, sind alle Themen, die uns auf dem Synodalen Weg in Deutschland beschäftigt haben, auch auf der Synode in Rom angesprochen worden. Inwieweit sie dort ausführlicher diskutiert worden sind, kann ich nicht beurteilen, aber die Themen sind alle, mehr oder weniger deutlich, jetzt auch im „Synthesenbericht“ („Relazione di Sintesi“) der Synode zu finden, der von den Synodalen mit großer Mehrheit verabschiedet worden ist. Auch der Ausgangspunkt, weswegen es zum Synodalen Weg in Deutschland gekommen ist, der Skandal sexuellen Missbrauchs und seiner Vertuschung in der Kirche, ist im Dokument klar und deutlich benannt, wenn es dort heißt: „Die Kirche muss mit besonderer Aufmerksamkeit und Sensibilität auf die Stimmen der Opfer und Überlebenden von sexuellem, geistlichem, wirtschaftlichem, institutionellem Macht- und Gewissensmissbrauch durch Mitglieder des Klerus oder Personen in kirchlichen Positionen hören.“

Was ist für Sie neu beziehungsweise überraschend in dem Abschlusstext der ersten Phase der Vollversammlung der Weltsynode?

Inhaltlich finde ich, zumindest beim ersten Querlesen, noch nichts Neues oder Überraschendes im Abschlusstext der Synode in Rom. Neu ist sicher, dass diesmal ja nicht nur Bischöfe stimmberechtigt waren, und dass die Ergebnisse der Abstimmungen Absatz für Absatz im Detail auch im Internet veröffentlicht worden sind, ähnlich wie beim Synodalen Weg in Deutschland. Auch wenn alle Abschnitte mit deutlicher Mehrheit verabschiedet worden sind, zeigen die Abstimmungsergebnisse im Einzelnen schon, was die kontroversen Themen sind, wenn zum Beispiel die sehr zurückhaltend und ausgleichend formulierten Abschnitte zum Frauendiakonat oder zum Zölibat im Verhältnis am meisten Gegenstimmen bekommen haben.

Ist aus Ihrer Sicht mit Blick auf die Ergebnisse dieser ersten Phase der Weltsynode mit tiefgreifenden Reformen der katholischen Kirche zu rechnen?

Ich hoffe es, aber der jetzt beschlossene Abschlusstext ist ja kein ausgearbeitetes Reformprogramm. Er benennt wichtige Themen und Herausforderungen, vor denen wir als Kirche weltweit stehen und wirft Fragen auf. Aber all das ist jetzt erst einmal Stoff für weitere Diskussionen, die im kommenden Jahr zur Vorbereitung auf die nächste Versammlung der Weltsynode im Oktober 2024 geführt werden müssen. Der insgesamt sehr abwägend formulierte Text zeigt auch, dass Reformen auf Ebene der Weltkirche nicht so einfach passieren werden. Wahrscheinlich ist es realistischer, dass auf Ebene einzelner Ortskirchen, Bischofskonferenzen oder Kontinente konkrete Reformschritte umgesetzt werden, die vor Ort eine entsprechende Zustimmung finden. In diese Richtung wird in dem Abschlussdokument an einigen Stellen ja auch gedacht.

Vor dem Zwischenbericht wurde am Mittwoch (25. Oktober) eine „Botschaft an das Volk Gottes“ veröffentlicht. Darin wird betont, der Papst habe erstmals „Männer und Frauen aufgrund ihrer Taufe eingeladen, an einem Tisch zu sitzen und nicht nur an den Diskussionen, sondern auch an den Abstimmungen dieser Bischofssynode teilzunehmen“. Welche Bedeutung messen sie der Teilnahme von Laien an der Weltsynode zu?

Eine wirklich synodale Kirche, in dem Sinn, wie es Papst Franziskus immer wieder formuliert, setzt ja voraus, dass das ganze Volk Gottes an diesen synodalen Prozessen mitwirkt. Von daher war es notwendig, den Teilnehmerkreis zu erweitern. Aber die Bischöfe waren ja immer noch die große Mehrheit. Es war wohl der erste Versuch, das, was eine Weltsynode sein sollte, konkret zu gestalten. Für mich bleibt spannend, wie die nächste Vollversammlung der Synode in einem Jahr zusammengesetzt sein wird, auch auf dem Hintergrund der in den letzten Wochen mit dem neuen Format gemachten Erfahrungen.

Der Brief wurde von Teilnehmenden der Vollversammlung der Weltsynode als wenig konkret kritisiert. Sehen Sie das auch so?

Was hier als wenig konkret kritisiert wird, ist natürlich auch ein Resultat dessen, wie die große Bandbreite an unterschiedlichen Erfahrungen, Kulturen und Ansichten, die die Synodenteilnehmer aus aller Welt mitgebracht haben und die sie prägen, in einem gemeinsam verantworteten Text zusammengebracht werden kann, der die Zustimmung aller findet. Das zeigt nur, wie viel schwieriger es ist, sich auf internationaler Ebene auf gemeinsame Ergebnisse zu verständigen, als innerhalb kulturell und sprachlich viel homogenerer Prozesse, wie beispielsweise beim Synodalen Weg in Deutschland.

In der „Botschaft an das Volk Gottes“ heißt es unter anderem, dass die Berufung der Kirche darin bestehe, das Evangelium zu verkünden, indem sie sich nicht auf sich selbst konzentriert, sondern „sich in den Dienst der unendlichen Liebe stellt, mit der Gott die Welt liebt“. Eine ähnliche Vorstellung von Kirche kam auch beim Synodalen Weg in Deutschland zum Ausdruck, oder sehen Sie das anders?

Der Synodale Weg in Deutschland war ein Versuch, als Kirche vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, um mit dieser Botschaft des Evangeliums auch in der Öffentlichkeit wieder Gehör zu finden. Das ist ja gerade das große Problem, mit dem wir als Kirche nicht nur in Deutschland, sondern weltweit konfrontiert sind: Die Botschaft von „der unendlichen Liebe, mit der Gott die Welt liebt“ zu verkünden, wäre in dieser Welt des Unfriedens mit ihren vielfältigen Krisen dringender denn je. Aber durch unsere eigene Schuld und unser Versagen müssen wir uns in der Kirche mit viel Aufwand mit uns selbst beschäftigen, damit man uns diese Botschaft wieder glaubt.

Das ist ja gerade das große Problem, mit dem wir als Kirche nicht nur in Deutschland, sondern weltweit konfrontiert sind: Die Botschaft von „der unendlichen Liebe, mit der Gott die Welt liebt“ zu verkünden, wäre in dieser Welt des Unfriedens mit ihren vielfältigen Krisen dringender denn je. Aber durch unsere eigene Schuld und unser Versagen müssen wir uns in der Kirche mit viel Aufwand mit uns selbst beschäftigen, damit man uns diese Botschaft wieder glaubt.

Diözesanratsvorsitzender Christian Gärtner

Wie geht es mit der Synodalität im Bistum Eichstätt weiter?

Vom Diözesanrat aus werden wir weiter daran arbeiten, einen Weg zu finden, wie die unterschiedlichen Gremien der Mitverantwortung besser miteinander vernetzt werden können. Das ist, denke ich, auch ganz im Sinne der Ergebnisse der Weltsynode, die in ihrem Abschlusstext ein ganzes Kapitel von 20 insgesamt dem Thema der „Parizipativen Gremien“ („Organismi di partecipazione“) gewidmet hat, in dem, so wie ich das lese, eine Stärkung dieser Mitwirkungsgremien und eine angemessene Repräsentanz von Frauen und Laien in diesen Gremien gefordert wird.

Was passiert, wenn sich weltkirchlich und auch hier vor Ort im Bistum in der Pastoral, in der Seelsorge nichts ändert?

Das wäre eine Erstarrung, die dem Wesen einer synodalen Kirche, die ja miteinander auf dem Weg, also in Bewegung sein soll, widerspräche. Wir erleben ja jetzt schon, was passiert, wenn die Menschen das Gefühl haben, das sich nichts ändert: Sie wenden sich von der Kirche ab, viele indem sie aus der Kirche austreten und noch viel mehr, indem sie einfach nicht mehr kommen und dabei sind.

Das wäre eine Erstarrung, die dem Wesen einer synodalen Kirche, die ja miteinander auf dem Weg, also in Bewegung sein soll, widerspräche. Wir erleben ja jetzt schon, was passiert, wenn die Menschen das Gefühl haben, das sich nichts ändert: Sie wenden sich von der Kirche ab, viele indem sie aus der Kirche austreten und noch viel mehr, indem sie einfach nicht mehr kommen und dabei sind.

Diözesanratsvorsitzender Christian Gärtner

Was von dem, was Sie von der Synode in Rom gehört oder gelesen haben, macht Ihnen Mut?

Am meisten Mut macht mir, dass bei dieser Synode erstmals das weibliche Gesicht der Kirche tatsächlich sichtbar geworden ist. Einmal, weil erstmals auch Frauen stimmberechtigte Mitglieder der Synode waren, und zum anderen, weil das Thema, dass Frauen in unserer Kirche auch offiziell eine viel größere Rolle spielen und mehr Verantwortung haben müssten, sich durch den ganzen Text des Abschlussdokuments zieht. Auch wenn die konkreten Vorschläge, zum Beispiel zum Diakonat der Frau, noch sehr verhalten formuliert worden sind.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann.

Quelle
pde
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