Eichstätt. – Einerseits ist das Jubiläum natürlich ein Grund zu feiern, andererseits aber auch ein Grund zur Sorge – so sagten es der Eichstätter Vorsitzende Arnulf Neumeyer und Alexander Brunner, der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes der bayerischen Tafeln, gestern bei einer Feierstunde zum 20-jährigen Bestehen des Eichstätter Tafel-Vereins. Seit inzwischen zwei Jahrzehnten sind die vielen Ehrenamtlichen in Eichstätt für die da, die es im Leben nicht so einfach haben. Und die gibt es eben auch in Stadt und Region Eichstätt. Zum Jubiläum gab es daher auch kein reichhaltiges Büffet, sondern eine einfache, aber dennoch leckere „Armensuppe“.
„Eines der Geheimnisse des Lebens ist, dass nur die Dinge, die wir für andere tun, es wirklich wert sind“ – nach diesem Zitat des britischen Schriftstellers und Gelehrten Lewis Carroll Erfinder – übrigens der Erfinder von „Alice im Wunderland“ – habe man in den letzten 20 Jahren immer gehandelt, so Arnulf Neumeyer in seiner Ansprache bei der Feierstunde anlässlich des Jubiläums der Eichstätter Tafel. Die Hilfsorganisation sei 20 Jahre zwar alt und dennoch angesichts eines wachsenden Bedarfs in Zeiten der Flucht, des Krieges und der Inflation aktueller denn je, sagte Neumeyer. Er ist selbst Gründungsmitglied der Tafel – und bedankte sich bei den ehrenamtlichen Helfer und langjährige Weggefährten und Gründungsmitglieder wie Gudrun Gloßner und Markus Willms – oder Dompfarrer Franz Mattes und Pfarrer Reinhard Höfer, die damals die Schirmherrschaft übernahmen.
Es sei nicht nur passend, dass das Jubiläum nun genau an dem Ort im evangelischen Gemeindesaal in Eichstätt stattfinde, an dem damals am 17. Dezember 2002 stattgefunden habe, sondern auch einen Tag vor dem christlichen Festtag Misericordia Domini stattfinde, so der evangelische Pfarrer Martin Schuler in seiner Rede: dem „Barmherzigkeitssonntag“. Hungernde zu speisen, sei eines der wichtigsten Elemente der Barmherzigkeit, so der Geistliche, der auch Grüße des verhinderten Dompfarrers Josef Blomenhofer überbrachte. „Ihr Werk ist unbezahlbar wertvoll und ein Werk der Liebe“, rief er den etwa zwei Dutzend Helfern der Tafel zu.
„Am besten wäre es, wir bräuchten die Tafel gar nicht“
Arnulf Neumeyer, Vorsitzender der Eichstätter Tafel
Die wirkt eher bescheiden und im Verborgenen – und das ganz bewusst: Denn Armut und Bedürftigkeit seien eben auch mit viel Scham verbunden – ein Stigma in unserer Gesellschaft. Besonders viele ältere oder alleinerziehende Menschen aus Eichstätt und der Region seien verschämt und kämen nur ungern zur Tafel. Sie machten neben Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund auch oft zu denen, die „jeden Cent zweimal umdrehen müssen“, so Neumeyer – gerade in Zeiten der Inflation und hohen Energiepreise, wo das Gehalt und die Rente plötzlich besonders knapp werden könnten.
Auch deshalb sei es gut, dass man 2013, also zehn Jahre nach der Eröffnung des ersten Tafelladens im März 2003, von dort in die Clara-Staiger-Straße 12a umgezogen sei, wo man nicht nur inzwischen durch neue Hygiene- und Kühltechnik gute Bedingungen habe, sondern eben auch etwas weniger sichtbar sei. Die „Kunden“ benötigen dafür einen Tafelausweis, der in Zusammenarbeit mit der Caritas ausgestellt werde, und zahlen bei jedem „Einkauf“ als Einzelperson einen Euro, für eine Familie zwei Euro. „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“, erklärt Neumeyer. „Am besten wäre es, wir bräuchten die Tafel gar nicht.“ Stattdessen versorge die Tafel jede Woche rund 180 Menschen.
Und so könne man so ein Tafeljubiläum wie in Eichstätt oder bundesweit, wo die Tafeln seit der Gründung der ersten Tafel für Obdachlose in Berlin 1993 bereits 30 Jahre alt sind, auch immer kritisch sehen: Dass es in einem reichen Land wie Deutschland 964 Tafeln gebe, in Bayern 175 mit 11.300 ehrenamtlichen Helfern. Gerade zuletzt sei der Bedarf enorm angestiegen, allerdings verlasse sich die Politik viel zu sehr auf die ehrenamtliche Hilfe. „Aber die Tafeln sind kein Teil des Sozialsystems“, so der bayerische Tafel-Vize Alexander Brunner, der aus Ingolstadt kommt. Man sehe sich nur als zivilgesellschaftliches Engagement und Hilfe für Bedürftige. Je weniger Hilfe nötig sei, desto besser.
Zumal es an ehrenamtlichen Helfer, aber auch an gespendeten Lebensmitteln mangle, so Brunner. Denn auch darum geht es: Lebensmittel vor Kompost und Müllhalde bewahren. 265.000 Tonnen an Lebensmitteln hätten die Tafeln im Jahr zuletzte gerettet, so die Eichstätter Bürgermeisterin Elisabeth Gabler (CSU) in ihrer Ansprache, die wie ihre Amtskollegin Martina Edl (FW) gekommen war, um zu gratulieren und zu danken. Aber durch verschiedene Initiativen wie „Foodsaver“, also „Essensretter“ oder auch verbesserte Lieferketten bei den Supermärkten gingen auch die weggeworfenen Menegn an Lebensmitteln zurück – eine positive Entwicklung, die aber den Tafeln bei wachsendem Bedarf Probleme bereits könnten. Aber die Tafeln seien aus der Flüchtlingskrise viel gewohnt, und hätten daher auch in der erneuten Flüchtlingswelle zu Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Lösungen gefunden, so Brunner. In Eichstätt habe man dann mit den Maltesern kooperiert, um die ukrainischen Flüchtlinge mit Lebensmitteln zu versorgen, so Neumeyer, der sich bei den Kooperationspartnern bedankte.
Man habe nicht genügend Mitglieder und müsse sich daher aus Spenden finanzieren, aber die gebe es Gott sei Dank noch. Mit den Geldern decke man nicht nur die eigenen Kosten, sondern kaufe auch Lebensmittel zu, die eben nicht in ausreichender Menge gespendet würden, wie Mehl, Zucker, Öl, Milch oder auch viele Hygieneartikel. Und so durften sich Neumeyer und seine Vorstandskolleginnen Brunhilde Radtke und Anneliese Griesbeck-Zöpfl auch gestern über weitere Spenden freuen: Pfarrer Schuler hatte ebenso einen symbolischen Spendenscheck über 200 Euro mitgebracht wie Gabler einen weiteren der Stadt Eichstätt über 500 Euro. Die Jubiläumsfeier viel der Sache angemessen daher zwar – musikalisch stimmungsvoll umrahmt von Alexander Schlegel – zwar feierlich, aber auch bescheiden aus. Zum Abschluss gab es gestern Mittag eben kein reichhaltiges Büffet, sondern eine einfache „Armensuppe“ nach alten Rezept – das den Gästen aber offensichtlich gut schmeckte. Armut und Bedürftigkeit gab es schließlich schon immer. Es gibt sie auch heute noch – und zwar mehr, als den Tafeln selbst lieb ist.