Ingolstadt. – Finanzierung, Zahlungsverkehr und Vermögensverwaltung – während der Kontakt zu Dienstleistungen solcher Geschäftsbereiche früher klassisch über ein Gespräch am Schalter erfolgte, werden sie heute längst digital abgewickelt. Doch nicht nur die Beantragung eines Kredits oder das Bezahlen finden digital statt, auch die Anlageberatung kann heute anstelle eines Bankberaters durch „robo advisor“ erfolgen. Und über Online-Plattformen kann man Geldgeber zur Finanzierung von Vorhaben gewinnen. Dem gewandelten Charakter und den Potenzialen der Branche widmet sich an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) nun Dr. David Streich (28) als neuer Juniorprofessor für Digital Finance. Die Juniorprofessur ist Teil des fachübergreifenden Programms „Eine am Menschen orientierte Digitale Gesellschaft“.
Streich studierte Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität, wo er zum Thema „Financial Advice in the Digital Age“ promovierte. Er untersuchte dabei unter anderem empirisch, wie gehaltvoll die Informationen in Online-Portalen sind, auf denen sich Privatanleger über Aktien austauschen. „Die Evaluation von Anlageprodukten wie Aktien wurde früher hauptsächlich von professionellen Analysten durchgeführt. Doch heute stehen entsprechende Daten frei zur Verfügung, so dass sich prinzipiell jede Person selbst ein Bild machen kann“, schildert Streich.
Für sein Dissertationsprojekt analysierte er deshalb die Online-Empfehlungen von Privatanlegern über einen bestimmten Zeitraum. Mit entsprechenden technischen Möglichkeiten lässt sich an der „Schwarmintelligenz“ der Anleger teilhaben. „Insgesamt gesehen wäre eine Anlagestrategie auf Basis der Äußerungen in den Online-Portalen besser gewesen als der Marktdurchschnitt“, schildert Streich. Insofern könne Digitalisierung durchaus auch eine Emanzipierung und Demokratisierung des Zugangs zu Finanzmärkten für Privatpersonen ermöglichen. Dies führe zudem das Prinzip von Marktwirtschaft weiter, in der eine Vielzahl von Akteuren unabhängige Werteinschätzungen vornimmt und aus der Interaktion heraus ein Preis entstehe, der den intrinsischen Wert des gehandelten Gutes widerspiegle. Grundlage dafür sei wiederum Transparenz und Mündigkeit der Anlegerinnen und Anleger.
Neben der Perspektive der Kundschaft und der wahrgenommenen Qualität der Dienstleistungen, die sie mittlerweile auch von etablierten Banken über digitale Kanäle erhält, interessiert Juniorprofessor Streich auch die Anbieterperspektive: Was ist zum Beispiel notwendig, damit Anleger Vertrauen in digitale Dienstleistungen gewinnen? Darüber hinaus will er auch volkswirtschaftlichen Fragestellungen nachgehen – etwa im Hinblick auf die Effizienz des Kapitalmarktes. Sprich: Welchen Einfluss hat die Digitalisierung darauf, dass privates Kapital so angelegt wird, dass die gesamte Gesellschaft davon profitiert? Hinzu kommt der Finanzbereich von Unternehmen und die Anwendung digitaler Methoden für deren Planung und Risikomanagement.
Vor diesem Hintergrund möchte Juniorprofessur Streich seinen Studierenden das Spektrum an modernen Methoden der Analyse vermitteln – „gepaart mit einer gesunden Portion statistischen Wissens“, um auch rechenstarke Modelle kritisch hinterfragen zu können – als Rüstzeug für sich wandelnde Berufsfelder im Bereich der Finanzanalyse.