Eichstätt. – Das hat es so wohl auch noch nicht gegeben: Wohl zum ersten Mal in der Geschichte des Eichstätter Stadtrats ist gestern eine Abstimmung wiederholt worden. Offensichtlich nach einem Zählfehler, der anschließend von Stadtrat Bert Lina (FW) angemahnt worden war, hatte man die Entscheidung zu einer Verlängerung der Höchstparkdauer in Eichstätt bei der ursprünglichen Abstimmung im Dezember bei Gleichstand mit 12:12 Stimmen vermeintlich abgelehnt. Nachdem damals bereits unmittelbar nach der Sitzung erhebliche Zweifeln am Ergebnis laut geworden waren, kam es gestern zu einer Wiederholung der Abstimmung und einem kleinen Eklat: Die SPD-Fraktion roch eine „rechtswidrige Entscheidung“ und verließ ebenso wie Willi Reinbold (ÖDP) den Saal und boykottierte damit die Abstimmung. Und auch sonst ist es in der Sitzung gestern durchaus emotional zugegangen.
Nicht nur beim Austausch rund um die mögliche Umbenennung der Alois-Brems-Straße, sondern auch bei den erneut aufbrandenden Diskussionen um die Stadtlinie und die neue Gebührenordnung des Alten Stadttheaters ging es am gestrigen Donnerstag bisweilen emotional zu. Größter Aufreger aber war der – allerdings bereits erwartete – Boykott der erneuten Abstimmung zur Höchstparkdauer in der Eichstätter Innenstadt.
13:11 statt 12:12?
Was war passiert? Schon unmittelbar nach der Abstimmung am 15. Dezember hatte Stadtratsmitglied Bert Lina (FW) sich noch in der Stadtratssitzung zu Wort gemeldet und einen Zählfehler im Abstimmungsergebnis angemahnt. Sein Einschreiten war aber durch weitere Wortmeldungen schnell unterbunden worden. Doch die Sache ließ Lina keine Ruhe. Immer wieder ging er im Kopf die Stimmen durch und war sich sicher: Das 12:12 war eigentlich ein 13:11, eine Stimme sei falsch gezählt worden. Immerhin war die Abstimmung und die Auszählung durchaus schnell und etwas unübersichtlich gewesen.
So schrieb Lina am Tag darauf eine E-Mail an die Stadtverwaltung und wies darin noch einmal auf den mutmaßlichen Fehler hin. Und so begann man bei der Stadt zu prüfen und fragte schließlich das Abstimmungsverhalten der Stadträte ab. Obwohl sich damals bereits mehrere Stadträte der Abfrage enthielten und SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Alberter das „Nachkarten“ gegenüber Ei-live als „Sauerei“ bezeichnete, zeigten die eingegangenen freiwilligen Rückmeldungen, dass es offenbar mindestens eine „Ja-Stimme“ mehr für die Verlängerung der Höchstparkdauer in der Eichstätter Innenstadt von zwei auf drei Stunden gegeben hatte.
Nach einer weiteren juristischen Prüfung im Kontakt mit den zuständigen Behörden, nämlich dem Landratsamt und dem Bayerischen Gemeindetag, sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Abstimmung aufgrund der deutlichen Indizien eines Fehlers bei der Auszählung wiederholt werden müsse – schließlich gehe es um eine demokratische Entscheidung, die auch korrekt sein müsse, so Hauptamtsleiter Andreas Spreng und Oberbürgermeister Josef Grienberger auch gestern in der Sitzung gegenüber Vorwürfen, dass hier „willkürlich“ Entscheidungen umgebogen werden sollten. Grienberger entschuldigte sich persönlich und im Namen der Verwaltung dafür, dass damals ein Fehler passiert sei, der nicht habe passieren dürfen. Aber er sei nun einmal passiert, und letztlich müsse das Ergebnis auch korrekt sein.
Vor allem die SPD-Fraktion aber übte massive Kritik: „Ohne Rechtsgrundlage wird hier ein Abstimmungsergebnis, das knapp den Vorschlag einer Mehrheit aus CSU und FW ablehnte, korrigiert, bis es eben passend gemacht worden ist“, so Fraktionsvorsitzender Christian Alberter. Man könne also jetzt regelmäßig damit rechnen, dass unliebsame, knappe Entscheidungen wieder einkassiert würden, so ein aufgebrachter Alberter, der gemeinsam mit seinen Parteikollegen bereits zu Beginn der Sitzung die Absetzung des entsprechenden Tagesordnungspunktes forderte und mit einigem Sarkasmus sagte, dass die Eiche im Eichstätter Stadtwappen dann wohl besser „gegen eine Bananenstaude ausgetauscht“ werden solle.
Keine Bananenrepublik, aber „Bananenkreisstadt“?
Zwar keine Bananenrepublik, aber eine Bananenkreisstadt also? Das sah die Mehrheit Im Stadtrat dann wohl doch nicht ganz so: Andreas Spreng und Maximilian Eichiner zählten diesmal laut und besonders vorsichtig nach und stellten fest, dass der Stadtrat mit 17:7 Stimmen dafür stimmte, die erneute Abstimmung auf der Tagesordnung zu belassen. Als es bei Tagesordnungspunkt vier dann so weit war, entwickelte sich noch einmal eine ähnliche Diskussion, am Ende aber wurde erneut abgestimmt.
Die SPD-Fraktion sowie Willi Reinbold von der SPD aber verließen vor der Abstimmung vorübergehend den Saal, um die vermeintlich „unrechtmäßige erneute Abstimmung nicht zu legitimieren“. Und so wurde in der gestrigen Stadtratssitzung die Verlängerung der Höchstparkdauer in der Innenstadt von zwei auf drei Stunden nun doch angenommen – allerdings „mit Bauchschmerzen“ (Klaus Bittlmayer, Grüne) und nur mit 14:5 Stimmen sowie dem Vermerk im Protokoll, dass mehrere Stadtratsmitglieder den Saal verlassen hätten.
Verschwindet die Alois-Brems-Straße?
Wesentlich einiger war man sich zu Beginn der Sitzung im ersten Tagesordnungspunkt gewesen: Nach der Universität und dem Bistum Eichstätt beschäftigt sich nun auch die Stadt erneut und nun intensiver mit den inzwischen klar durch die Unabhängige Aufarbeitungskommission des Bistums belegten Vorwürfe gegen den ehemaligen Eichstätter Bischof Alois Brems – und zwar in einer ganz konkreten Frage: Muss die 1996 nach ihm benannte Alois-Brems-Straße auf dem Eichstätter Seidlkreuz umbenannt werden oder darf sie weiter so heißen? Und das, obwohl Brems dem Bericht nach über Jahrzehnte Täter sexuellen Missbrauchs an minderjährigen Mädchen in den 1960er-Jahren in der Kirche gedeckt hatte?
Auch wenn mehrere der Stadträte, die sich zu Wort meldeten, noch nicht klar sagen wollten, wie sie entscheiden würden – die Tendenz geht offenbar ganz klar in die Richtung, dass man nicht nur an die zweifellos auch vorhandenen Verdienste des damals beliebten und unter anderem in der Jugendarbeit engagierten Bischofs denken dürfe, sondern eben auch an die Opfer der Verbrechen, so zum Beispiel Klaus Bittlmayer. Brems „war Mitwisser und aus meiner Sicht voll in der Haftung“, so der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Das Ganze sei eine sehr individuelle Abwägung, aber er sehe einige Argumente, die dafür sprächen, dass man das Ganze nicht so lassen dürfe, wie es sei. „Wäre es nicht die Kirche – würden wir dann nicht darüber diskutieren, ob das nicht eine kriminelle Vereinigung war? Wäre es stattdessen ein Verein oder eine Firma, würden wir wohl die Debatte führen, ob man die Organisation verbieten müsste“, so Bittlmayer sehr kritisch.
„Alles sehr belastend“
Auch für sie als kirchliche Mitarbeiterin und viele ihrer Kollegen sei das alles sehr belastend, so Maria Lechner (ÖDP). „Aber ich erlebe, dass die Aufarbeitungskommission und der Generalvikar sehr professionell damit umgehen“, und das solle auch der Stadtrat tun. Eine Gedenktafel zum Beispiel am Straßenschild jedenfalls sei ihr persönlich zu wenig. Eine Straße nach seinem Namen benannt zu bekommen, sei eine besondere Ehre und beispielsweise nicht vergleichbar mit der Bürgermeistergalerie im Rathaus, wo man entsprechende Hinweistafeln zur Nazizeit angebracht hatte. Da gehe es schließlich auch um Vollständigkeit und die Geschichte, die Ehre des Straßennamens aber habe Brems durch seine Vertuschung des Missbrauchs verwirkt, so Bittlmayer.
Christian Alberter, der beruflich Diözesangeschäftsführer der Malteser ist, betonte, dass die Kirche fest zu Eichstätt gehöre und auch weiter gehören solle. Umso wichtiger sei, dass der Stadtrat hier eine klare und konsequente Entscheidung treffe – und die könne dem Gremium auch niemand abnehmen. Die übrigen Fraktionen äußerten sich nicht näher zum Thema.
Anhörung der Anlieger und Prüfung aller Straßennamen geplant
Am Ende aber waren sich die Stadtratsmitglieder einig, dass das Thema ergebnisoffen geprüft werden solle und stimmten dem Vorschlag des OBs zu, zunächst im Februar die 47 Anlieger in den 14 Anwesen in der Straße anzuhören. Sie sollen dazu auch den Bericht der Aufklärungskommission und alle relevanten Informationen erhalten. Zudem soll auch die Stadtheimatpflege zu dem Thema gehört werden. Und man könne das Ganze auch im Kontext mit den 69 verschiedenen Eichstätter Straßen, die nach Personen benannt seien, sehen und hier entsprechende Standards entwickeln.
Falls es zu einer Änderung kommt, wird die auf jeden Fall teuer und aufwendig: Nicht nur die Straßenschilder müssten geändert werden, sondern auch Stadtpläne, oder zum Beispiel die Adressen in Personalausweisen, Führerscheinen oder bei Banken und Versicherungen. Das Ganze sei ein aufwendiger, bürokratischer Akt, so Grienberger. Aber das Thema mache betroffen und müsse daher dennoch eingehend geprüft werden. Schließlich hatte sich auch bereits die Theologische Fakultät der Katholischen Universität von ihrem ehemaligen Ehrendoktor Brems öffentlich distanziert, und auch die Jugendstiftung der Diözese hatte zum Beispiel bereits am 5. Oktober vergangenen Jahres entschieden, dass der „Alois Brems Preis“ für Jugendförderung nicht mehr vergeben werden solle. Nun zieht die Stadt Eichstätt wohl auch in irgendeiner Form nach. Wie genau, das soll in der Stadtratssitzung im März entschieden werden.
Höhere Gebühren für Nutzung des Alten Stadttheaters
Im Rahmen der Sitzung wurde auch erneut über die neue Gebührenordnung für die Nutzung des Alten Stadttheaters beraten. Lars Bender stellte das noch einmal leicht überarbeitete Konzept zu höheren Gebühren vor und zeigte unterschiedliche Szenarien für die Einnahmesituation auf. Auf der Kostenseite würden insbesondere die Heizkosten trotz aller Anpassungen bei Temperatur, Lüftungssteuerung und Umstellung auf LED-Beleuchtung einen „brutalen Sprung“ auf rund 125.000 Euro machen, der eine entsprechende Finanzierungslücke entstehen lasse.
Zwar habe sich auch die Einnahmesituation nach den Coronajahren aufgrund hoher Buchungszahlen gut entwickelt und werde auch für dieses Jahr auf hohem Niveau erwartet. Dennoch bestehe hier Handlungsbedarf in Form einer Gebührenanhebung – darin war man sich im Stadtrat schon länger einig. Gestern ging es daher noch einmal um die Details: Demnach müssen „kulturelle, volksbildende und gemeinnützige Veranstalter“, die meist auf Zuschüsse, Spenden und ehrenamtliches Engagement angewiesen seien, mit einer Erhöhung der Saalmiete um 20 Prozent rechnen. Bei wirtschaftlichen Veranstaltern wird die Raummiete dagegen sogar um 100 Prozent auf 1.800 Euro stark erhöht. Da eine Differenzierung bei den Personalkosten nicht möglich sei, bleibt es hier wie auch auch bei den Entgelten für sonstige Leistungen, Technik und Ausstattung bei einer Erhöhung um 20 Prozent.
Die Erhöhungen greifen aber vorerst nur für Neubuchungen. Für 2024 soll das insgesamt Mehreinnahmen von 30.000 Euro bringen und so das Defizit ausgleichen. Zudem wurde genauer geregelt, welche Veranstalter als wirtschaftlich gelten dürften. Zum Beispiel muss die IHK jetzt mit dem höheren Satz rechnen, da sie von Wirtschaftsbetrieben getragen werde. Kinder- und Jugendveranstaltungen wie etwa Kindertheater sollen auch bei wirtschaftlicher Ausrichtung weiter vergünstigt behandelt werden, um die jungen Menschen zu fördern und weil man davon ausgehe, dass hier nur niedrigere Eintrittspreise gezahlt werden könnten. Grundsätzlich werde nicht geprüft, ob eine Veranstaltung für sich wirtschaftlichen Charakter habe, sondern nur ob der Veranstalter gemeinnützig oder wirtschaftlich orientiert sei. Bei Privatpersonen werde allerdings unterschieden, ob es sich etwa um eine private Familienfeier oder aber eine Veranstaltung mit wirtschaftlicher Ausrichtung handle.
Die SPD-Fraktion wollte hier angesichts hoher Erhöhungen für nur wenige kommerzielle Veranstalter ein Preismodell mit einer breiteren Differenzierung und verschiedenen Rabattsätzen. Allerdings hatte sie ihren Alternativvorschlag erst am Vortag per Mail an die Stadtratsmitglieder verschickt. Das stieß im Gremium ebenso auf Kritik wie der kompliziertere Vorschlag, der dann zudem eine erneute Vezögerung der Entscheidung und wohl weitere Einnahmeausfälle nach sich gezogen hätte. Die Entscheidung war bereits in der Dezembersitzung ebenfalls auf Antrag der SPD-Fraktion vertagt worden. Die anderen Fraktionen konnten „mit dem Vorschlag der Verwaltung leben“ und stimmten mit 20:5 Stimmen für die Umsetzung des Vorschlags zum 1. Februar.
Stadtlinie bleibt Thema
Für erneute Diskussionen sorgte auch die Taktung der Stadtlinie, die zum Jahreswechsel aus Kostengründen vom Halbstunden- und auf den Stundentakt umgestellt worden war. Mehrere Bürger hätten sich beschwert wegen längerer Wartezeiten zum Beispiel am Stadtbahnhof oder am Leonrodplatz, wo es bisweilen zu Wartezeiten von mehr als einer halben Stunde komme, wie unter anderem Martina Edl (FW), Maria Lechner (ÖDP) oder Klaus Bittlmayer (Grüne) berichteten. Auch Arnulf Neumeyer (SPD) kritisierte die Taktung deutlich: Sie sei zudem zu wenig ausgeführt und erklärt worden.
Das wollten Stadtwerkechef Wolfgang Brandl und OB Grienberger nicht so stehen lassen. Brandl erläuterte, wann er den Stadtrat im Detail über die notwendigen Einsparungen und die ausufernden Kosten mit einem Defizit von rund 1,4 Millionen Euro pro Jahr informiert habe. Dass dieser hohe Fehlbetrag für die Stadt und die Bürger auf Dauer nicht tragbar sei, darin war man sich im Gremium erneut einig. Die Stadt stecke zudem auch im jetzigen Takt immer noch rund eine Million Euro jährlich in ihr ÖPNV-Angebot, so Grienberger. Zudem verwies er auf die Neuausschreibung der Stadtlinie, wo auch entsprechender Bedarfsverkehr neu eingerichtet werden soll und so auch zusätzliche Angebote etwa zu späteren Zeiten eingerichtet werden könnten.
Taktänderung zu Stoßzeiten wird geprüft
Neumeyers Antrag, dennoch noch einmal zu prüfen, ob man zu Stoßzeiten von Montag bis Freitag zwischen 6.30 und 8.30 Uhr sowie 16.30 und 19 Uhr zum Halbstundentakt zurückkehren könne und was das koste, stieß dennoch auf klare Zustimmung: Mit 16:8 stimmte das Gremium dafür, den Antrag weiterzuverfolgen und zu sehen, ob man hier auch in diesem Jahr noch einmal nachbessern könne. Lange Wartezeiten gänzlich zu vermeiden, sei im Stundentakt jedenfalls unmöglich, so Brandl. Man habe alle Varianten geprüft und das System bereits optimiert. Egal, wo man Wartezeiten verkürze – an anderer Stelle entstünden dann insgesamt neue und noch längere Wartezeiten für noch mehr Fahrgäste. Die Bürger könnten hier auch ihren Beitrag zur Verbesserung leisten, so Bittlmayer – indem sie die Stadtlinie einfach mehr nutzten.
Stadtratssitzung mit Nachspiel – Abstimmungsergebnis zu Parkgebühren umstritten