Eichstätt. – Das Interesse war fast so groß wie das Ohrwurmpotenzial der eingängigen Schäfflermelodie, die die „Schäfflermusi“ in den nächsten Wochen immer wieder spielen wird. Viele Menschen wollten heute Nachmittag dabei sein beim Auftakt ins Schäfflerjahr 2023 – das nur wegen der Coronaverschiebung im vergangenen Jahr überhaupt zu einem solchen geworden ist. Sie waren gekommen, um die gelebte Tradition zu erleben, die sonst nur alle sieben Jahre mit Leben erfüllt wird – diesmal eben nach acht Jahren Pause. Und die Kinder freuten sich über den Schabernack der Kasperltruppe, die auch fest zum Schäfflertreiben gehört. Die große Zahl der Besucher heute und die rund 90 geplanten Auftritte zeigen: das Brauchtum lebt – trotz Corona-Verspätung.
Zum traditionellen Auftakt an Heilig-Drei-König stand ebenso traditionell die Reihenfolge der ersten vier Auftritte bereits fest: Bischof, Oberbürgermeister, Äbtissin und Landrat – so lautet die „Gastgeberliste“ der Würdenträger, denen die ersten Stationen des Schäfflerzuges durch die Eichstätter Innenstadt gewidmet waren. Um etwa 13.30 Uhr heute ist es losgegangen, das Schäfflerjahr. Und als erster durfte sich Bischof Gregor Maria Hanke über das bunte, aber streng durchchoreografierte Treiben der überwiegend in Rot gewandeten Eichstätter Schäffler mit ihren grünen Hüten und Bögen, die beim Tanz in festgeschriebenen Folgen Tanz und Richtung vorgeben, freuen – eine Aufheiterung nach dem Besuch gestern in Rom anlässlich der Verabschiedung von Papst Benedikt XVI.
Mit Optimismus gegen Pest und Probleme
In fester Folge tanzt die rund 40-köpfige Truppe nach alten Schrittfolgen ihre Formen. Ein Höhepunkt ist natürlich das Fassschlagen der Schäffler inmitten des Tanzreigens – ein Symbol für die Ursprünge des Brauchs, der auf die Pestepedemie 1517 in München zurückgeht. Die Fassmacher, auch Schäffler genannt, waren die ersten, die es wieder nach draußen drängte. Ihre Zunft führte allerlei Spektakel auf, um auch die anderen, angsterfüllten und zurückgezogenen Bewohner Münchens wieder auf die Straßen zu locken.
Daran erinnern die Tänze – und sind damit auch heute noch so etwas wie symbolische „Mutmacher“ in Krisenzeiten und ein Grund für die Menschen, zusammenzukommen und gemeinsam schweren Zeiten zu trotzen und immer wieder neu mit Zuversicht und Freude etwas Neues zu beginnen. Für gute Laune und das nötige Augenzwinkern sorgen auch die radschlagenden und Scherze treibenden Kasperl in ihren bunten Kostümen, und wer einen Schäfflerschnaps bestellt, bekommt das für dieses Schäfflerjahr gestaltete Glas samt hochprozentigem Inhalt und spendet dafür für einen wohltätigen Zweck – denn all das geschieht komplett ehrenamtlich und zugunsten karitativer Zwecke in Eichstätt.
„Kronenbaum“ und Reifenschwinger
Als dann der „Kronenbaum“ der Kränze erhoben, auf das Fass als Symbol der Schäfflergilde gestellt wurde und sich der tanzende Schäfflerreigen im Takt und Kreis darum drehte, und als dann auch noch Reifenschwinger Franz-Josef Neumayr, der für den aus gesundheitlichen Gründen verhinderten Karl Daum die Reifen kreisen ließ, seine akrobatischen Formen zeigte und seine Verse an den Stifter des Tanzes gerichtet hatte, gabe es auch kräftig Applaus vom Publikum, das sich heute besonders am Marktplatz, aber auch im Innenhof der Abtei St. Walburg versammelt hatte – „Zur größeren Ehre Gottes und dass er dem Deife recht stinkt!“, so der Ruf des Reifenschwingers. Da konnte auch Äbtissin Hildegard mit ihren Schwestern herzlich applaudieren.
Impressionen im Video:
Mit Marsch- und Blasmusik der Eichstätter Schäfflermusi mit ihren rund 25 Musikern unter Leitung von Andreas Würzburger und Markus Beck zog die Schäfflerprozession nach den Auftritten vor dem Bischofspalais und am Marktplatz vor dem Eichstätter Rathaus (14.30 Uhr) sowie im Klosterhof (15.30 Uhr) im Abendlicht dann hinüber ins Landratsamt, wo um 17 Uhr noch ein besonderer Auftritt im bunt erleuchteten Innenhof des Residenz vor den Augen von Landrat Alexander Anetsberger stattfand – der stimmungsvolle Abschluss zum heutigen Auftakt des Schäfflerjahres. Es folgen in den kommenden Faschingswochen viele weitere – ehe die Tradition am 21. Februar mit dem letzten Tanz wieder endet und für die nächsten sieben Jahre ruht.