Eichstätt/Sulzbürg. – Im vergangenen Jahr hat die Bibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) ein Forschungsprojekt abgeschlossen, das Licht in die verworrene Geschichte eines Bestandes an hebräischen Handschriften sowie Werken aus dem 17. bis 20. Jahrhundert bringen sollte. Eine Ausstellung am Herkunftsort der Sammlung – dem oberpfälzischen Sulzbürg – präsentiert nun die Werke aus dem Bestand der früheren jüdischen Gemeinde und gibt Einblick in die Recherche zur Provenienz der Bände. Eröffnet wird sie am Sonntag, 30. Oktober, im Landlmuseum Sulzbürg.
Die Handschriften und Bände gehören zum Bestand des Eichstätter Priesterseminars, den die Universitätsbibliothek in ihrer Obhut hält und kontinuierlich bearbeitet. Im Wesentlichen handelt es sich um weit verbreitete religiöse Gebrauchsliteratur. Konkret galt es, zu klären, ob es sich dabei um NS-Raubgut handelt. Der frühere Regens des Eichstätter Priesterseminars, Andreas Bauch, übergab kurz vor seinem Tod 1985 der Seminarbibliothek die vier Handschriften und 54 gedruckte Werke in hebräischer beziehungsweise jiddischer Sprache. Bauch hatte den Bestand von Pfarrer Heinrich Meißner (1914-2001) erhalten, der von 1944 bis 1984 als katholischer Ortsgeistlicher in Sulzbürg tätig war.
Unbekannt ist allerdings, wann Meißner den Bestand an Bauch übergeben hat. Leider wurde es versäumt, ihn zu Lebzeiten über die näheren Umstände zu befragen. Und so muss es trotz intensiver Recherche bis dato Spekulation bleiben, wie die Bände in den Besitz des Pfarrers gelangten und ob sie in der Zeit nach 1942 den Ort überhaupt verlassen haben. Denn die Exemplare sind weder mit offiziellen Stempeln der Gemeinde noch der Gestapo versehen, was zur Vermutung führte, dass sich um Privatbesitz handelte.
Zwar ließ sich die Herkunft der Sulzbürger Judaica im Rahmen des Projektes nicht vollends klären, doch handelt es sich bei dem Bestand um eine überaus wichtige Quelle für das geistige Leben in der bedeutenden jüdischen Gemeinde Sulzbürg sowie ein einzigartiges Zeugnis für die Geschichte des ländlichen Judentums in der Oberpfalz. In den Bänden finden sich auch handschriftliche Vermerke – von Besitzereinträgen bis zu Schreibübungen und Zeichnungen von Kindern. Anhand dieser Angaben und bekannten Informationen über das jüdische Leben in der Region ließen sich zumindest einige Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer namentlich ermitteln. Nur eine von ihnen hat den Holocaust überlebt. Ein Ziel des Projektes bestand deshalb auch darin, dass diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten.
Die Ausstellung „Beten. Lesen. Lernen. Wiederentdeckte Bücher der jüdischen Gemeinde Sulzbürg“ ist vom 30. Oktober bis 11. Dezember jeweils samstags und sonntags zwischen 14 und 16 Uhr im Landlmuseum Sulzbürg (Marktplatz 5, Mühlhausen-Sulzbürg) zu sehen. Die Vernissage am 30. Oktober mit Einführung und musikalischer Umrahmung beginnt bereits um 11 Uhr. Der Bestand aus Sulzbürg ist von der Universitätsbibliothek digitalisiert worden und verfügbar unter http://digital.bib-bvb.de/collections/KUEI/#/collection/DTL-6056.