Eichstätt/München. – Welches Potenzial haben robotische Systeme, um das hochqualifizierte Pflegepersonal in Kliniken von fachfremden Servicetätigkeiten zu entlasten? Dies erforschen die Professur für Pflegewissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) und das LMU-Klinikum München. Das Kooperationsprojekt trägt den Titel „REsPonSe – Robotersystem zur Entlastung des Pflegedienstes von Servicetätigkeiten“ und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Auf der nuklearmedizinischen Therapiestation des Münchner Klinikums wird dabei der Einsatz eines Pflegeroboters getestet.
Verschiedene Studien zeigen, dass Pflegepersonal nur noch in 15 Prozent der Arbeitszeit Gelegenheit zur direkten Pflege von Patienten hat. Stattdessen geht viel Zeit bei unnötigen Laufwegen (21 Prozent) und anderen pflegefremden Tätigkeiten (25 Prozent) verloren. KU-Professorin Inge Eberl, die selbst examinierte Pflegefachperson ist, weiß: „Die meisten Laufwege werden durch spontane und häufig undifferenzierte Patientenanfragen verursacht.“ Dabei nehmen gerade die Pflegenden eine Schlüsselrolle bei der Versorgung der Patienten und der Koordination von hochkomplexen Maßnahmen ein – ihre Zeit ist also wertvoll und sollte für die besttmögliche Versorgung der Patienten genutzt werden.
In der Praxis aber sieht das oft anders aus: Bei herkömmlichen Klingelsystemen erfährt das Pflegepersonal erst durch Nachfrage, welches Anliegen die Patienten haben. Deshalb sind bereits Software-Lösungen erhältlich, mit denen man vom Bett aus – ergänzend zum weiterhin vorhandenen Notfallknopf – per Smartphone-App seine Wünsche und Bedürfnisse spezifizieren kann.
Roboter „Jeeves“ liefert auch ans Krankenbett
Das laufende Projekt auf der nuklearmedizinischen Therapiestation K0 des LMU Klinikums geht noch einen Schritt weiter, indem es ein solches System mit einem Serviceroboter verknüpft: Die Smartphone-App „Cliniserve“ erleichtert die Kommunikation von Patienten mit dem Stationspersonal. Über die App kann man vom Bett aus einfache Serviceanfragen direkt an den Roboter „Jeeves“ senden. Das gleiche Modell rollt bereits anderswo durch Hotels und bringt Gästen dort Getränke oder die vergessene Tube Zahnpasta aufs Zimmer, nachdem man eine telefonische Bestellung aufgegeben hat. Die Ware findet sich in mehreren Schubladen des Roboters.
Nun wird das Ganze auch in der etwas sensibleren Umgebung eines Krankenhauses intensiv getestet. Der Einsatz von App und Roboter bietet sich auf der Station K0 am LMU Klinikum München am Campus Großhadern besonders an: Hier werden den Patienten radioaktive Therapeutika verabreicht, so dass der persönliche Kontakt für bis zu 48 Stunden auf ein Minimum reduziert werden muss. Mit Hilfe der Kommunikations-App können sie ihre Bedürfnisse gezielt an das Stationspersonal oder den Serviceroboter schicken – ohne dass eine Pflegefachperson im Zimmer nachfragen muss. Einfache Serviceanfragen, wie beispielsweise die Lieferung von Wasser, übernimmt der Serviceroboter „Jeeves“ selbstständig. Er liefert die Bestellung bis an die Zimmertür und benachrichtigt die Patienten über die Kommunikations-App.
Rund 300 Aufgaben erledigt
„Neue Technologien und die Robotik miteinander zu verbinden ist in Zeiten des Pflegenotstands für unsere Station eine hilfreiche Unterstützung“, sagt die Leiterin der Station K0, Judith Kammer. „Das gibt uns die Möglichkeit, uns auf pflegerische Tätigkeiten zu konzentrieren.“ Seit Start der Erprobung vor drei Monaten wurden mehr als 300 Aufgaben durchgeführt. Zusätzlich können Pflegefachpersonen die App nutzen, um sich an bestimmte Aufgaben zu erinnern, oder diese auch an andere Pflege-, oder Servicepersonen weiterzuleiten. Durch eine Chatfunktion können Patienten ihre Anfragen konkretisieren, und das Pflegefachpersonal kann direkt darauf antworten. Der Roboter ist unterwegs, um die Patienten mit Wasser, Handtüchern, Zahnbürsten oder Kaltkompressen zu versorgen. „Diese Anfragen hätten ansonsten das Pflege- oder Servicepersonal erledigen müssen. Weiterhin wird durch den Einsatz der Technologien mutmaßlich die Strahlenbelastung reduziert“, erklärt Projektmitarbeiter Christoph Ohneberg von der KU.
Als Zwischenergebnis der noch laufenden Erprobung zeige sich im Hinblick auf Akzeptanz und Auswirkungen für die pflegerische Versorgung, dass es die Patienten durchaus schätzen, das Pflegefachpersonal durch die beiden Technologien zu entlasten. Den persönlichen Kontakt könne ein Roboter aber nicht ersetzen. Auch das befragte Pflegepersonal betont, dass der Kern professioneller Pflege weiterhin aus dem menschlichen Kontakt zur pflegebedürftigen Person bestehen müsse – auch wenn bestimmte Servicetätigkeiten durch robotische Systeme ersetzt werden könnten. Generell müssten diese, so die Befragten, an das jeweilige pflegerische Setting und dessen Anforderungen angepasst werden. Nach dem Ende der Erprobungsphase werden die Forschenden des LMU Klinikums außerdem Bilanz zur tatsächlichen Reduzierung von Laufwegen des Pflegepersonals ziehen.
Hintergrund zum Projekt
REsPonSe ist ein Verbundforschungsprojekt des LMU Klinikums, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sowie der Unternehmen Cliniserve GmbH und Robotise GmbH. Ziel des Projektes ist es zu erforschen, wie die knappen personellen Ressourcen im Pflegedienst durch den Einsatz der Kommunikations-App Cliniserve und des Serviceroboters Jeeves entlastet werden können. Das dreijährige Projekt ist im Februar 2020 gestartet und in drei Projektphasen unterteilt. In der ersten Phase wurden in einer Vorstudie mögliche Einsatzszenarien evaluiert und die technischen Voraussetzungen für den Einsatz der App und des Roboters geschaffen. In der zweiten Phase wurde die Technik mit gesunden Personen und Pflegekräften im Klinikum getestet sowie Systeme und Prozesse angepasst. In der nun laufenden dritten Phase werden die Systeme in den regulären klinischen Betrieb mit Patientinnen und Patienten integriert und wissenschaftlich evaluiert. Das Forschungsprojekt REsPonSe wird im Rahmen des Programmes „Robotik in der Pflege“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Gesamtfördersumme von 2,16 Millionen Euro gefördert.
Mehr Informationen unter forschungsprojekt-response.de