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Für Adonisröschen & Co: Pfleimberg gehört jetzt zu „100 Äckern der Vielfalt“

Schutzäcker bei Titting sind Hotspot der Biodiversität vor allem für seltene Ackerwildkräuter

Titting. – Es ist ein echter Hotspot der Biodiversität, wenn man den Experten glaubt. Aber auch der Laie spürt schnell, dass hier am Pfleimberg oberhalb von Titting etwas anders sein muss: Die Felder leuchten korblumenblau oder klatschmohnrot, und jedes sieht anders aus: Zwischen Getreide und den anderen Kulturpflanzen wachsen wilde Kräuter und blühen Blumen wie die Kornblume. Dafür, für diese besondere Form der Landwirtschaft und Artenvielfalt, ist das Gebiet jetzt auch offiziell in die Liste der bundesweiten „Schutzäcker“ aufgenommen – als 130. solcher Standort in ganz Deutschland, aber auch als durchaus besonderer, wie alle Beteiligten betonen.

Blühende „Schutzäcker“: Biologe Stefan Meyer (rechts) und Landwirt Jakob Bösl (vorne) bei einer Führung durch die Felder am Pfleimberg bei Titting. Fotos: Zengerle

Von Stephan Zengerle

Wenn Stefan Meyer über die Ackerwildkräuter spricht und sie wie jetzt gerade bei der Führung auf den Feldern am Pfleimberg auch noch zeigen darf, dann spürt man das Herzblut, mit dem er dabei ist. Er brennt offensichtlich für die Biodiversität – und für die ökologische Landwirtschaft, die eben genau das ermöglicht. Ein wenig missionarisch vielleicht, aber vor allem durch Überzeugung und positive Beispiele. Er selbst komme ursprünglich aus Sachsen-Anhalt und habe dort schon als Kind erlebt, wie man in den gigantisch großen LPGs, den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR, mit ihren Riesenfeldern und planwirtschaftlichen Produktionsvorgaben Landwirtschaft betrieben habe. Aber auch in der wesentlich kleinteiligeren bayerischen Landwirtschaft von heute wünscht er sich manches anders – vor allem natürlicher.

So wie hier oben am Pfleimberg bei Titting. Hier sehe man schon auf den ersten Blick an den farbigen Feldern, dass hier vieles anders sei – und zwar auch traditionell: weil die Natur es eben so gewollt hat. Auf den kargen, steinreichen Böden der Jurahochfläche ist die fruchtbare Erdschicht eben rar und dünn – „gerade einmal so dick“, sagt Landwirt Jakob Bösl, der einen Großteil der Flächen hier oben bewirtschaftet, und zeigt mit Daumen und Zeigefinger eine Spanne von etwa zehn Zentimetern an. Er ist einer von drei Landwirten, die die Flächen hier oben beackern – und das immer ökologischer und wildkräuterfreundlicher: Knapp zwölf von insgesamt 20 Hektar hier seien inzwischen ökologisch bewirtschaftet, freut sich auch Marion Lang, die das Projekt „Feldflorareservat – Pfleimberg bei Titting“ leitet – mit Erfolg.

Gruppenfoto mit Urkunde: Die Beteiligten Behörden, Umweltschutzorganisationen und Landwirte freuen sich über die offizielle Aufnahme des Pfleimberg in das Netzwerk „100 Äcker für die Vielfalt“.

Denn am gestrigen Samstag ist das Areal im Rahmen eines Festaktes, zu dem trotz hochsommerlicher Temperaturen eine beachtliche Zahl von Besuchern auf das idyllisch gelegene Terrain oberhalb von Titting gekommen war, auch offiziell in das bundesweite Programm der Schutzäcker aufgenommen worden. Seit 2009 verfolgt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit dem Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“ das Ziel, ein nachhaltiges Schutzgebiets-Netzwerk zum Erhalt bedrohter Ackerwildkräuter in Deutschland umzusetzen und fördert entsprechende Programme. Denn durch Landnutzungswandel und eine fortschreitende Intensivierung der Landwirtschaft seien die Bestände von Ackerwildpflanzen stark rückläufig. Vielerorts sei das typische Spektrum an Pflanzen verschwunden, so Meyer von der Georg-August-Universität in Göttingen, der das bundesweite Projekt leitet.

Die gelungene Symbiose aus Landwirtschaft und Umweltschutz lobten Stefan Meyer, Landrat Alexander Anetsberger und der Tittinger Bürgermeister Andreas Brigl (Foto 1 vorne von links), der Bayerische Bauernpräsident Walter Heidl (Foto 2), Dominik Himmler (Kulturlandstiftung, Foto 3), Ulrike Lorenz (Bayerischer Naturschutzfonds, Foto 4) und die anderen Gäste am Pfleimberg.

Rund 20 Arten auf der roten Liste

Anders auf dem Pfleimberg: Hier ist die Welt für ihn als Biologen, der sich genau auf dieses Thema spezialisiert hat, wieder in Ordnung. Landwirtschaft und Biodiversität, das gehe eben doch – vielleicht nicht überall, aber eben besonders auf solchen Flächen wie hier oberhalb von Titting. Gerade der steinige Boden, der der Landwirtschaft hier schon immer Probleme bereitet habe, wie Bösl aus langjähriger Erfahrung zugibt, werde in dieser Hinsicht zum Vorteil und zu einem wertvollen Gebiet, wie auch Landrat Alexander Anetsberger in seiner Ansprache sagte. Und auch die Gemeinde Titting mit Bürgermeister Andreas Brigl unterstützt das Projekt inzwischen voll und ganz. Das sei aber nicht immer so gewesen. Bereits Ende der 1980er-Jahre habe man vor der späteren Flurbereinigung die Flächen hier untersucht und schon damals die besondere Bedeutung für Artenreichtum erkannt – insbesondere eben für jene seltenen Ackerwildkräuter und die Insekten, die eben auch genau solche Lebensräume bräuchten.

Manchmal unscheinbar, manchmal auch bunt blühende Ackerwildkräuter finden sich überall auf den Flächen. Biodiversitätsexperte Stefan Meyer kann zu jedem einzelnen viel erzählen.

Gut 20 jener selten gewordenen Pflanzen, die hier auf den Äckern am Pfleimberg wachsen, stünden auf der roten Liste der bedrohten Arten, sagt Marion Lang. Dank der ökologischen Bewirtschaftung, die in den letzten Jahren auch ohne jene Urkunde bereits unter der fachmännischen Begleitung von Uwe Sachser von der Unteren Naturschutzbehörde in Eichstätt bereits gepflegt worden war, seien es vielleicht sogar schon mehr geworden, freut sich Lang. Gerade in den letzten Jahren aber sei das Areal aus einer Art „Dornröschenschlaf“ erwacht, in den es nach den Jahren der Flurbereinigung gefallen sei, freut sich Brigl. Nicht immer war man sich auch so einig, wie sich Willi Reinbold aus Eichstätt erinnert, der das Projekt schon seit den ersten Untersuchungen 1989 begleitet hat. Damals habe es noch viel Widerstand aus der Landwirtschaft gegeben, erinnert sich der Eichstätter ÖDP-Stadtrat und engagierte Umweltschützer, der heute ebenso glücklich über das Ergebnis der langjährigen Bemühungen ist, wie die zahlreichen anderen Besucher bei der gestrigen Urkundenübergabe, zu der auch viele Landwirte gekommen waren.

Kooperation statt Konfrontation zwischen Bauern und Umweltschutz

Ulrike Lorenz vom Bayerischer Naturschutzfonds ist sicher, dass die insgesamt 150.000 Euro, die hier über zehn Jahre insgesamt in das Projekt am Pfleimberg fließen, sehr gut angelegt seien und dankte auch den Landwirten. Denn ohne sie gehe es nicht, wie Meyer, Anetsberger oder auch Dominik Himmler von der Bayerischen Kulturlandstiftung betonten, die von der Landwirtschaft unterstützt wird. Es gehe nur gemeinsam, in Kooperation, so Walter Heidl, der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes gestern. Er wünsche sich, dass auch nicht immer nur über die Bauern geschimpft und von ihnen gefordert, sondern dass auch anerkannt werde, dass die Landwirtschaft von heute in dieser Hinsicht schon viel tue. Lebensmittelsicherheit sei gerade in Zeiten des Ukrainekrieges natürlich wichtig, aber die Landwirtschaft tue auch heute schon enorm viel für Landschafts- und Umweltschutz.

Meyer wünscht sich da zwar noch ein wenig mehr. Aber auch er sieht Erfolge – nicht nur in dem Netzwerk der nun 130 Schutzäcker-Areale in Deutschland. Landwirtschaft und Naturschutz müsse nicht immer ein Widerspruch sein – im Gegenteil: Von den rund zwölf Millionen Hektar Ackerland in Deutschland seien es gerade die etwa drei Millionen ertragsschwächeren Flächen, die sich besonders für Biodiversität und den Schutz der Ackerwildkräuter eigneten – gerade wegen zum Beispiel der steinigen Böden. Mit solchen Förderprogrammen könne man genau hier schon sehr viel erreichen. Insbesondere in Bayern, wo es etwa in der Rhön, im Würzburger Raum, bei Bad Windsheim oder eben wie am Pfleimberg bei Titting solche eher kargen Böden gebe, könnten so echte Hotspots der Biodiversität entstehen.

Trotz Sommerhitze herrschte reges Interesse bei den Führungen über die Felder.

Venuskamm, Zottiger Klappertopf oder Adonisröschen

Manche der Äcker hier oben werden zwar in diesem Jahr nur geringen Ertrag abwerfen, einer wohl gar keinen, wie Bösl sagt. Der steinige Boden sorge zum Beispiel zusätzlich für einen hohen Verschleiß an Reifen. Ohne Fördergelder und eine gehörige Portion Idealismus der Landwirte und aller anderen Beteiligten wäre das alles also nicht möglich. Aber es gibt eben auch die Felder hier oben, wo es gut geht, wo die Erträge ganz ohne Spritzmittel und anderes sich sehr gut entwickelt hätten, erklärt Bösl und deutet auf Felder hinter ihm, wo zum Beispiel erfolgreich Gerste oder Roggen angebaut werden. Auch „Unkräuter“ gebe es natürlich: Trespe, Quecke oder Ackerfuchsschwanz machten hier schon auch Probleme, berichten Bösl und Meyer.

Aber man versucht hier, die Biologie zu verstehen, die Fruchtfolge anzupassen und die Pflanzen so durch natürliche Maßnahmen in den Griff zu bekommen – und zwar hier auf einem Großteil der Flächen eben schon ganz ohne Spritzmittel. Vieles wird hier wieder gelernt, was man in früheren Jahrzehnten schon gepflegt hatte: Alte Kornarten wie Einkorn oder Emmer werden wieder gepflanzt. Und bei den Linsen will man es auf einem weiteren der oft nur wenige Meter breiten Felder mit einer anderen Stützfrucht probieren als der Sommergerste wie derzeit, weil die Ernte hier nur schwer zu trennen sei. In Zukunft soll es mit Leinsamen und Leindotter vielleicht besser klappen. Dafür wachsen hier nun Pflanzen, die die allermeisten Käufer der landwirtschaftlichen Produkte überhaupt nicht kennen: Venuskamm, Zottiger Klappertopf oder – Meyers Lielingspflanze unter den Ackerkräutern – das Adonisröschen. Sie sind es, die die Felder hier auf dem Pfleimberg so bunt und anders machen.

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