München/Eichstätt. – Residenz der Fürstbischöfe, Wehranlage, kulturhistorisch höchst bedeutsamer Prachtbau, Lieferant billiger Baustoffe, botanische Wunderwelt, Heimat von sagenumwobenen skurrilen Gestalten, Heimat für Museen und touristisch vermarktetes Wahrzeichen der Stadt Eichstätt – die Willibaldsburg auf dem markanten Felssporn über der Altmühl hat in ihrer bewegten Geschichte schon zahlreiche Umgestaltungen und Neukonzeptionen erlebt. Aktuell wird ein weiteres Kapitel aufgeschlagen. Gleich ein ganzes Bündel von Maßnahmen wird ergriffen, um die Attraktion „zukunftsfähig“ zu machen, wie man das heute gerne nennt. Dafür wird im Rahmen der groß angelegten Generalsanierung viel Geld investiert – seit heute ist klar, dass es noch einmal fünf Millionen Euro mehr werden.
Der Freistaat Bayern investiert weiter in die Sanierung der Willibaldsburg Eichstätt und die Verbesserung der dortigen Besucherinfrastruktur. Bei seiner heutigen Sitzung genehmigte der zuständige Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen im Bayerischen Landtag zusätzliche Finanzmittel in Höhe von fünf Millionen Euro, um die aufgetretenen Mehrkosten der bereits laufenden Bau- und Sanierungsmaßnahmen zu decken. „Der Freistaat Bayern bekennt sich zur Eichstätter Willibaldsburg und gibt die notwendigen Finanzmittel frei, um die Sanierung unseres Wahrzeichens erfolgreich abschließen zu können“, erklärt die Eichstätter Landtagsabgeordnete Tanja Schorer-Dremel.
Rein optisch ist in erster Linie der Innenhof betroffen. Hier ist zunächst das Service- und Kassengebäude zu nennen, dessen Errichtung nötig ist, um modernen Anforderungen für Besucher der Anlage und der Museen hier zu genügen – und der Gastronomie: Die Burgschänke wird ebenfalls saniert und die Außenanlage neu gestaltet, was nicht zuletzt die Parkplätze und den Biergarten betrifft. Weniger sichtbar, aber ebenfalls wichtig sind Brandschutzmaßnahmen, die Erneuerung der Wärme-, Elektro- und Trinkwasserversorgung sowie die Entwässerung. Eine Stromtankstelle darf im Konzept nicht fehlen. Die Burg wird außerdem ins rechte Licht gerückt: Die Beleuchtung wird ebenfalls neu konzipiert.
Panoramablick und neuer Burgbiergarten
Wer den üblichen Zugang zur Burg, die tunnelartige Toranlage, wählt, findet sich zunächst auf einem freien Platz wieder, dem Spitalhof. Einst erstreckte sich hier der Schaumbergbau, von dem nur noch wenig erhalten ist, der jedoch bis ins 19. Jahrhundert die Burgansicht wesentlich mitgeprägt hatte. Das freie Gelände diente bislang einerseits als Parkplatz, zum anderen nahm der Biergarten einen Teil der Fläche ein. Aber irgendwie sah das alles nie ganz fertig, sondern eher nach einem historisch geprägten Provisorium aus. An der nordöstlichen Seite befindet sich die Burgschänke – einst Teil des Schaumbergbaus. Darin finden sich die Gasträume im Erdgeschoss und der Rittersaal im ersten Stock.
Der Burgschänke widmen die Planer einen nicht geringen Teil ihrer Aufmerksamkeit. „Die Räume werden funktional neu geordnet“, heißt es. Konkret: Zwischen dem Gemmingenbau und dem Schaumbergbau entsteht ein Neubau, der sich harmonisch in das historische Umfeld einfügen soll. Dorthin wird die – dann wesentlich geräumigere – Küche umziehen. Damit kann auch das Restaurant selbst mehr Gästen Platz bieten. Die historischen Reste des Schaumbergbaus werden nicht angetastet, die Fassade aber saniert und die Innenräume renoviert. Allerdings wird das nicht historische Dach abgetragen und durch ein flacheres Pultdach ersetzt, was auch dem Rittersaal mehr Qualität verleihen soll. Die Südseite bekommt neue Fensterflächen, was mehr Licht in die Schänke bringt und den Gästen gleichzeitig eine tolle Aussicht auf die Burganlagen, die Altmühl und Eichstätt ermöglicht. Ein Aufzug sichert den barrierefreien Zugang zum Obergeschoss. Die gesamte Haustechnik wird ebenfalls erneuert. Auch der Biergarten vor der Schänke erfährt eine deutliche Aufwertung.
Neues Besucherzentrum
Regelmäßige Besucher der Willibaldsburg werden sich künftig neu orientieren müssen: Denn auch der Innenhof wird baulich neu geordnet, der bisher beengte Zugang zur Kasse verschwindet. Stattdessen wird der Gast vor der Wand des von Elias Holl geplanten Gemmingenbaus eine Besucheranlaufstelle in Form eines Service- und Kassengebäudes vorfinden. Auch dieser eingeschossige Bau soll sich ins historische Ensemble einfügen und gleichzeitig allen modernen Ansprüchen genügen. In ihm sind Empfangsbereich, Kasse und Museumsshop untergebracht.
Das Gebäude ist im rechten Winkel zur Burgschänke vorgesehen und schafft somit einen weiteren Innenhof, der musealen Zwecken dient, in dem aber auch kulturelle Veranstaltungen unter freiem Himmel abgehalten werden können. Auch die übrigen Freianlagen im Zentrum der Burganlage bekommen eine neue Struktur und eine attraktive Gestaltung. Neben dem Biergarten entsteht ein Ankunftsbereich mit Stellplätzen. Auch an einen eigenen Aufenthaltsbereich beim Kassengebäude wurde gedacht.
Fünf Millionen mehr durch Preissteigerungen und archäologische Fundstücke
Das alles aber wird nun noch teurer als ursprünglich geplant: Die fünf Millionen Euro an Mehrkosten aber seien einerseits notwendig und andererseits sinnvoll angelegt, wie Schorer-Dremel glaubt. Neben Preissteigerungen beim Baumaterial ergeben sich die Mehrkosten auch durch Ausführungsänderungen, die aufgrund neuer wissenschaftlicher und archäologischer Erkenntnisse notwendig geworden waren. Nach den Abbrucharbeiten wurden archäologische Überreste des sogenannten „Löwenturms“ freigelegt und weitere historisch wertvolle Erkenntnisse gewonnen, die neue Zusammenhänge im Gebäudekomplex „Schaumbergbau“ erkennen ließen, so die Begründung. „Es war sinnvoll, diese denkmalpflegerischen Befunde in die bauliche Umsetzung einzubeziehen und durch Umplanungen darauf zu reagieren“, erklärt Schorer-Dremel.
„Kuhmaulschuh“ und erlebbare archäologische Spuren
Die im Zuge der Baumaßnahmen durchgeführten archäologischen Untersuchungen brachten zudem interessante Details zur Geschichte und Kulturgeschichte der Burg zum Vorschein. Sie werden in die Modernisierungsarbeiten einbezogen und für die Besucher erlebbar gemacht, die so einen besseren Einblick auf die Residenz und Festung bekommen als bisher. So tauchten 2020 in fast einem Meter Tiefe Bodenplatten auf, die wiederverwendet werden sollen. Ebenso fanden die Archäologen Reste einer alten Zugbrücke, von der man zwar wusste, an die man aber bis jetzt nicht herangekommen war. Diese Überbleibsel sollen für die Besucher zugänglich bleiben. Die historische Grabenstruktur des inneren Burggrabens wurde freigelegt und sichtbar gemacht. Ein Kuriosum stellt der Fund eines „Kuhmaulschuhs“ dar, der auf den Beginn des 16. Jahrhunderts datiert wird. Diese rare lederne Fußbekleidung ist bemerkenswert gut erhalten.
Die schon länger geplante Generalsanierung der Eichstätter Willibaldsburg wurde im Juli 2020 vom Bayerischen Landtag endgültig beschlossen und ist längst in vollem Gang. Im März 2021 wurde vom Finanzausschuss des Landtags bereits ein erster Nachtrag in Höhe von 570.000 Euro genehmigt, um die bei archäologischen Grabungen entdeckten Überreste der historischen Zugbrücke zu erhalten und für Besucher erlebbar zu machen. Mit den nun aufgetretenen Mehrkosten in Höhe von fünf Millionen Euro wird der Freistaat in den nächsten Jahren insgesamt 26,57 Millionen Euro für die Hochbaumaßnahmen zur Sanierung der Burg und der Verbesserung der Besucherinfrastruktur investieren.
Die Maßnahmen sollen bis Anfang 2023 im Wesentlichen abgeschlossen sein. „Die Willibaldsburg wird dadurch noch attraktiver und zukunftsfähiger. Den Besuchern soll ein rundum gelungener Aufenthalt auf der Burg ermöglicht werden“, schwärmte Finanz- und Heimatminister Albert Füracker im Juli 2019 anlässlich der Erteilung des Bauauftrags. Der Gemmingenbau mit seinem imposanten Innenhof, dem Juramuseum, dem Museum für Ur- und Frühgeschichte, der Außenstelle des Bayerischen Hauptstaatsarchivs sowie dem Tiefen Brunnen bleibt von den Arbeiten weitgehend unberührt. Hier werden nur die sanitären Anlagen saniert.
Und so bleibt eben auch vieles, wie es ist und wie es die Geschichte hinterlassen hat. Für Planer und Ausführende stellen solche historisch bedeutenden Anlagen dennoch immer eine individuell besondere Herausforderung dar. Das gilt in diesem Fall vor allem logistisch, aufgrund der komplexen Situation vor Ort. Kräne und weiteres großes Gerät mussten nach oben gebracht werden, wobei die Zufahrt beschränkt war. Es kommt nur die Tordurchfahrt mit ihrem langen Tunnel in Frage. Zudem mussten die Rettungswege sichergestellt, Kranstandorte gefunden und die Logistik für das Baumaterial bewältigt werden. Da die Burg Heimat von Fledermäusen ist, musste auch dieser Aspekt berücksichtigt werden.
Die beiden Museen sind für Besucher nach wie vor offen. Und auch hier hat sich einiges getan: im Juramuseum etwa wurde die Aquarienlandschaft mit „Bayerns größtem Korallenriff“ modernisiert. Der Zugang zu den Museen war bisher über den Mondscheinweg entlang der Nordmauer der Burg, ein provisorisches Kassenhäuschen und die „Botanische Stiege“ möglich. Aber möglichst in einem Jahr sollen die Besucher wieder durch das Haupttor hereinkommen und die Willibaldsburg ganz neu erleben können. Wie das Dornröschenschloss harrt die Anlage ihrer Wiedererweckung.