Eichstätt. – „Sie müssen schnell eine Entscheidung treffen, sonst ist die Existenz beider Standorte bedroht – denn dann ist nichts mehr da“, so der deutliche Hinweis von Rebekka Reckel in der Sitzung gestern an den Kreistag Eichstätt. Reckel ist Partnerin beim weltbekannten Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Ernst & Young und dort zuständig für den Bereich Krankenhäuser. Gemeinsam mit ihrem Team um Eva-Maria Haas hatte sie in den letzten Tagen noch einmal die Daten und Fakten rund um die Standortfrage der Kliniken im Naturpark Altmühltal geprüft und Szenarien für die Entwicklung der Standorte geprüft – mit einer klaren Botschaft: Eichstätt als Akutstandort, Kösching als hochwertiges Gesundheitszentrum und eine enge Kooperation mit dem Klinikum Ingolstadt.
„Der Status Quo ist keine Option für Sie“, stellte Reckel bereits zu Beginn fest. Weiter zuzuwarten, verschärfe die Situation immert weiter, warnte die Expertin, die bereits viele solche Fälle analysiert und betreut und selbst bereits im Krankenhausmanagement gearbeitet habe. Warum das so ist und welche Optionen es für die Kliniken im Naturpark Altmühltal gebe – das präsentierte sie gemeinsam mit Haas in einer Analyse der möglichen Szenarien und „Business Cases“. Es sei kein komplett neues Gutachten, sondern basiere auf den Daten, die bereits dem Gutachten der Oberender-AG zugrunde gelegen hätten, stellten sie klar.
Rund ein Drittel der Fälle gefährdet
Aber man habe neue Entwicklungen und Rahmenbedingungen berücksichtigt – etwa die Pläne der neuen Bundesregierung und der Krankenhauspolitik. Das Ergebnis: Die Situation habe sich noch einmal deutlich verschärft: gut 30 Prozent der Fälle, die in den Kliniken im Naturpark Altmühltal (KNA) versorgt würden – in Eichstätt seien es 32, in Kösching 33 Prozent der Fälle – würden in Zukunft laut dem Leistungskatalog des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) nicht mehr als stationäre Leistungen vergütet. Sprich: Sie werden ersatzlos wegfallen – eine enorme Zahl also, die alleine schon zeige, wie groß das Problem sei, wie Haas und Reckel anhand von Prognosen erschreckend steil fallender Patientenkurven aufzeigten.
„Ich habe gerade acht Kündigungen auf dem Schreibtisch“
KNA-Geschäftsführer Marco Fürsich
Auch KNA-Geschäftsführer Marco Fürsich hatte in seiner Einführung bereits deutlich gemacht, dass sich die Situation auch in einem zweiten, ganz entscheidenden Bereich noch einmal ganz aktuell und akut verschärft habe: dem Personalmangel. „Ich habe gerade acht Kündigungen auf dem Schreibtisch“, berichtete Fürsich. Nicht nur aufgrund von Corona und der nun beginnenden Teilimpfpflicht, sondern auch aufgrund der unsicheren Zukunftsperspektiven und der anhaltenden Diskussionen in der Öffentlichkeit habe man bei den beiden Kreiskliniken deutliche Rückgänge in der Bettanzahl, aber auch vor allem beim Personal feststellen müssen: in Eichstätt um gut zwei Prozent, in Kösching sogar um massive 22 Prozent. Und so stehe sogar die Frage im Raum, ob man zum Beispiel aufgrund der Mindestfallzahlen oder aufgrund von Personalmangel letztlich gar nicht mehr vor der Wahl stehe, ob und welchen Standort man schließe, sondern zu einer Entscheidung gezwungen werde. Wenn man noch lange warte, werde nichts mehr zu entscheiden da sein, stellte Reckel in aller Deutlichkeit klar. „Entscheidend ist, dass Sie jetzt eine Entscheidung treffen.“
Auch in Zukunft „zwei starke Gesundheitsstandorte“
Aber wie soll die aussehen? Dass man sich auf nur mehr einen Standort für ein Akutkrankenhaus konzentrieren müsse, hatte man im Kreistag schließlich bereits im November beschlossen. Dennoch waren auch in den letzten Wochen immer wieder Diskussionen aufgeflammt – und zwar mit „gelinde ausgedrückt zweifelhaften oder einfach falschen“ Informationen, so Landrat Alexander Anetsberger. Man sei bereits in
16 Gemeinderatssitzungen gewesen und habe noch acht weitere vor sich, habe Onlineforen besucht und auch immer wieder verdeutlicht, dass keiner der beiden Standorte geschlossen werde. „Es wird auch in Zukunft zwei starke Gesundheitsstandorte im Landkreis geben.“ Es gebe klare Szenarien, wie die beiden Standorte aussehen könnten und die die EY-Experten nun noch einmal geprüft und abgeklopft hatten – und zwar nicht mehr so sehr auf ein Konkurrenzmodell hin, sondern viel mehr auf ein Kooperationsmodell mit dem Klinikum Ingolstadt hin.
Die Ergebnisse fielen letztlich eindeutig aus. In so ziemlich allen Modellen, die im Rahmen der Kreistagssitzung vorgestellt wurden, war die Bewertung für Eichstätt als Primärstandort günstiger und besser. Umgekehrt aber sei Kösching als Sekundärstandort weit größer und attraktiver als Eichstätt, das als reines Gesundheitszentrum sonst wohl wesentlich kleiner ausfallen würde – Fürsich sprach in seiner Präsentation von nur noch 79 Betten – und mit dem heutigen Krankenhaus dann wohl nichts mehr zu tun hätte. Vor einem vielleicht schleichenden Ausbluten des Krankenhaus- und Medizinstandorts hat man natürlich auch in Kösching Angst, hatte Bürgermeister Ralf Sitzmann im Gespräch mit Ei-live vor der Sitzung bestätigt. Mit einem echten medizinischen Zentrum mit einer Perspektive aber könne man sich möglicherweise eher anfreunden.
Gute Chancen für Gesundsheitszentrum mit OPs und stationären Betten in Kösching
Genau dafür sehen die EY-Expertinnen durchaus gute Chancen in Kösching: und zwar für einen attraktiven Standort mit immerhin 105 Betten (Eichstätt hätte demnach 199), der möglicherweise für eine orthopädische Fachklinik drei der vier Operationssäle behalten und eine geriatrische, also altersmedizinische Versorgung, Kurzzeitpflege und bei entsprechender Finanzierungsbereitschaft auch sechs bis acht Betten für eine Notfallversorgung für 24 Stunden bekommen könne. Hier gebe es vor allem in Verbindung mit einer engen Kooperation mit dem Klinikum Ingolstadt auch gute Zukunftsperspektiven sowohl in Sachen hochwertiger Patientenversorgung in der Region 10, als auch in finanzieller Hinsicht.
Denn die wäre mit einer Konzentration des Akutstandortes in Eichstätt deutlich einfacher und besser möglich als in Kösching. Wäre Kösching der Primärstandort, würden die Bürger aus Eichstätt und weiten Teilen des Landkreises zu einem erheblichen Teil eben nicht nach Kösching, sondern direkt ins Klinikum fahren, so die Annahme. Zudem sei das Klinikum eher mit Eichstätt als Partner zur Kooperation bereit, als in direkter geografischer Nähe und Konkurrenz mit Kösching. Dazu habe es auch bereits intensive Gespräche mit dem Klinikum Ingolstadt gegeben, so Landrat Anetsberger, der weitere Details und noch detailliertere interne Zahlen in der nichtöffentlichen Kreistagssitzung am Freitag präsentieren will.
Massive Defizite in Eichstätt und vor allem Kösching drohen
Auch in finanzieller Hinsicht schneidet das Modell mit Eichstätt als Aktustandort und einem Gesundheitszentrum mit Tagesklinik in Kösching deutlich besser ab: Während Eichstätt im Betrachtungszeitraum von 2016 bis 2030 im besten Fall ein Defizit von 132 Millionen, im schlimmsten Fall von 186 Millionen Euro anhäufen würde, wären es in Kösching im besten Fall nach der Modellrechnung schon 162, im schlimmsten Fall sogar 244 Millionen Euro – und das aus dem laufenden Betrieb. Hinzu kämen enorme Risiken durch die später beginnende Sanierung in Kösching, die wohl erst 2028 abgeschlossen werden und damit zu weiteren Belastungen und Verlusten an Patienten führen könne. In Eichstätt dagegen sei eine Konsolidierung bereits 2026 möglich. Und auch bei den Baukosten ergeben sich deutliche Vorteile für die Variante mit Eichstätt als Primärstandort und Kösching als Sekundärstandort: Hier ergäben sich insgesamt Baukosten von 68,7 Millionen Euro. Im anderen Modell wären es 86,4 Millionen Euro an Umbaukosten.
„Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf.“
Landrat Alexander Anetsberger zur Entscheidung in der Standortfrage
Entscheidend sei in jedem Fall eine regionale Kooperation, die vielleicht sogar in einer Fusion münden könne, so die Expertinnen von Ernst & Young. Dann gäbe es auch noch weit mehr Einsparpotenzial etwa bei „Sekundärprozessen“ wie OP, Apotheke oder Radiologie sowie weiteren Leistungen wie Reinigung, Einkauf oder Lager. „Wichtig ist es, dass sie die Kliniken im Naturpark als ein Unternehmen sehen und nicht nur als zwei Standorte.“ Das betonten auch Fürsich und Anetsberger: Es werde auch in Zukunft zwei Gesundheitsstandorte im Landkreis geben, die gemeinsam nicht nur wirtschaftlich, sondern auch medizinisch besser aufgestellt seien. Aus seiner Sicht die zweite wichtige Erkenntnis: Die Zeit dränge – und zwar immer mehr, so der Landrat. „Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern eins vor zwölf“. Denn auch nach der Entscheidung gebe es noch viel zu klären, und es werde noch Jahre dauern, bis das Ganze umgesetzt sei. Aber die Richtung müsse klar sein und die Weichen endlich gestellt werden – das wurde heute noch einmal klar.
Grundlage für Gesundheitszentren und MVZ-Betrieb gelegt
Dazu passt ein Beschluss, den der Kreistag in der Sitzung traf: Einstimmig wurde die Gründung der „Gesundheitszentren der Kliniken im Naturpark Altmühltal gGmbH“ beschlossen, die dann in Zukunft solche Gesundheitszentren in Eichstätt und Kösching betreiben soll. Dabei geht es auch um den Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), in denen Ärzte angestellt werden können. Das soll aber auf keinen Fall in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärzten geschehen, so Anetsberger auf Nachfrage aus dem Gremium. Es gehe darum, Leistungen abzudecken, die es sonst nicht mehr geben würde: „Wir versuchen, Lücken zu füllen.“
Vorher aber muss der Kreistag die Standortfrage klären, die nun nach mehr als einem Jahr intensiver Beratung wohl kurz vor dem Abschluss steht: Nach der Beratung in der nichtöffentlichen Kreistagssitzung am Freitag werde es eine KNA-Verwaltungsratssitzung geben, in der ein Empfehlungsbeschluss erarbeitet werden solle. Dann soll es am 4. April so weit sein: Die Weichen für die Zukunft der Kliniken im Naturpark Altmühltal und eine Neuaufstellung in Kooperation und als Teil einer „Gesundheitsregion 10“ soll dann endlich fallen. Denn weiter abzuwarten, mache die Situation nur schlimmer – so jedenfalls noch einmal die klare Botschaft der Analyse von Ernst & Young.