Eichstätt. – Welche Bilder hat man vor Augen, wenn der Begriff „Mittelalter“ fällt? Vermutlich dürfte es eine Mischung aus Burgen, Rittern, Schmutz, Krankheit und einem generell rauen Leben sein – eben die sprichwörtlichen mittelalterlichen Verhältnisse. Doch aus welchen Quellen wird heutzutage unser Bild vom Mittelalter geprägt, das solche Assoziationen mit sich bringt? Dieser Frage sind Studierende der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) im Rahmen des Seminars „Man sprach Latein, die Mehrheit ließ es sein: Mittelalter und Popkultur“ nachgegangen. Anstatt herkömmlicher Referate haben sie eine Homepage gestaltet, auf der sie auch für die breite Öffentlichkeit in Form von Podcasts und Videos über verschiedene Aspekte berichten, zu denen sie recherchiert haben.
Hat es Robin Hood eigentlich gegeben? Was steckt hinter der Legende, die Hollywood gleich mehrfach verarbeitet hat? Dieser Frage geht Student Mika Engemann in seinem Videoessay nach: Er lässt eine Auswahl der unzähligen Verfilmungen des Robin Hood-Themas Revue passieren und gibt Einblick in die historische Forschung zu dieser Figur. Er stellt dabei abschließend fest: „Real oder Fiktion – Robin Hood ist eine polarisierende Figur, die sich schon lange hält. Auch wenn die Interpretationen der Filmindustrie nicht immer authentisch sind, erlauben sie uns, die Überlieferungen in für uns verständliches Bildmaterial zu übersetzen.“
Heavy Metal in der Rüstung – und auf dem Eichstätter Figurenfeld
Aber wie klingt eigentlich das Mittelalter? Genau mit dieser Frage hat sich Jimmy Franz beschäftigt. Und wie wird es in der modernen Popkultur inszeniert? Das zeigt Franz unter anderem am Eichstätter Figurenfeld. Denn hier hat die Erlanger Mittelalter-Folk-Band „Feuerschwanz“ das Video zu ihrem Song „Das elfte Gebot“ aufgenommen (siehe Video unten). Ob die Musik dabei gefallen hat, ist eher zweitrangig. Es ging den Wissenschaftlern mehr um das Mittelalterbild, das dabei vermittelt wird. Anhand des Heavy Metal-Genres „Viking Metal“ wiederum sei beispielsweise deutlich geworden, dass Bands vor allem an Vorstellungen vom Mittelalter anknüpfen, die seit dem 19. Jahrhundert vorhanden sind, wie Kilian Baur, Leiter des Seminars und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte, erklärt.
Dabei nutzen sie etwa Bilder der Romantik für ihre Cover oder vertonten Heldensagen. „Das ist auch übertragbar auf alle andere Formen der popkulturellen Darstellung. Das ,finstre Mittelalter‘ findet in nahezu allen Medien Anwendung. Das dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Protagonistinnen und Protagonisten häufig Persönlichkeiten sind, die sich über die gesellschaftliche Enge und die Normen hinwegsetzen – was sie umso heller erstrahlen lässt.“ Im Comedybereich wiederum diene das Mittelalter als Plattform, um etwa aktuelle Fragen von Ökologie oder Gleichstellung zu thematisieren.
„Die Frage der Authentizität war aber nur ein Aspekt des Seminars“, erklärt Baur. Hierzu haben die Studierenden eine Mischung aus wissenschaftlicher Literatur und Quellen rezipiert und die daraus gewonnenen Erkenntnisse den popkulturellen Darstellungen gegenübergestellt.“ Im Mittelpunkt habe vorwiegend die Frage gestanden, welche Mittelalterbilder in den verschiedenen Medien transportiert werden, ob sie neue Vorstellungen vom Mittelalter enthalten oder bereits vorhandene reproduzieren und wie sie diese Bilder inszenieren.
Vom Glöckner von Notre Dame bis zu Computerspielen
Die weiteren Beiträge der Studierenden reichen von Figuren wie dem Glöckner von Notre Dame als Musicalthema bis hin zum Mittelalter als Thema von Sketchen, Stilelement von Popmusik sowie die Darstellung der mittelalterlichen Gesellschaftsstruktur in Computerspielen. Am Beispiel von „Mount and Blade“ zeigt sich etwa, dass in diesem Spiel das Feudalsystem sehr vereinfacht dargestellt wird oder Religiosität als wichtiger Faktor der damaligen Gesellschaft überhaupt nicht zum Tragen kommt. Frondienste, Abgaben oder Leibeigenschaft spielen darin ebenfalls keine Rolle. Im Spielverlauf könne es ein einfacher Bauer sogar zum Ritter schaffen, obwohl das Rittertum in Realität nur dem Adel vorbehalten war. Solche Ungenauigkeiten seien aber unausweichlich, um einen flüssigen Ablauf und Spannung zu gewährleisten. Gerade die Fiktion einer so im Mittelalter nicht möglichen Biographie könne den Reiz solcher Spiele ausmachen.
Die Ergebnisse des KU-Seminars „Typisch Mittelalter?!“ sind online zu sehen unter https://typischmittelalter.ku.de – oder EINFACH HIER KLICKEN!