Kipfenberg. – Sie tun es schon wieder: Wenige Tage nach der jüngsten Kreistagssitzung, in der es einmal mehr um die „Agenda 2030“ und die Neuaufstellung der Kliniken im Naturpark Altmühltal gegangen war, stellt die Kreistagsfraktion der Freien Wähler (FW) erneut Beschlüsse und Aussagen der Sitzung in Frage: Nachdem die FW-Fraktion um Sprecher Anton Haunsberger zu Beginn des Jahres entgegen des von ihnen mitgetragenen Beschluss des Gremiums im vergangenen Jahr die Schließung eines der beiden Standorte in Eichstätt oder Kösching als Akutkrankenhaus in Frage gestellt hatte, geht es diesmal zumindest um den Zeitplan, den Landrat Alexander Anetsberger gegen Ende der Sitzung geäußert hatte: Der Landrat hatte den 4. April als Stichtag für die Entscheidung avisiert, ob Eichstätt oder Kösching als vollwertiger Krankenhausstandort erhalten bleiben soll.
Ist es politisches Taktieren und ein Spiel auf Zeit oder gibt es wirklich neue offene Fragen für einen weiteren Aufschub? Denn eigentlich liegen längst jede Menge Argumente, die die medizinische Versorgung im Landkreis Eichstätt betreffen, auf dem Tisch. Seit dem Beginn der Analysephase zur Neuaufstellung der Kreiskliniken im Herbst 2020 kamen neben einer Analyse durch unabhängige Experten im Oberender-Gutachten auch bereits zahlreiche Experten in den Sitzungen zu Wort. Erst in der jüngsten Kreistagssitzung wurde erneut bereits über kleine Detailfragen in der Notfallversorgung gesprochen. Die FW-Fraktion aber stellt nun den Zeitplan des Landrats für eine Entscheidung in der Kreistagssitzung am 4. April in Frage.
Die FW-Fraktion verlangt stattdessen in einer Pressemitteilung von gestern Abend „mehr Zeit für die Entscheidung über die Neu-Ausrichtung der Kliniken im Naturpark Altmühltal“. Zusammen mit den Vertretern der Jungen Freien Wähler sei man sich einig, dass „für eine strategische Entscheidung, die auf Jahrzehnte hinaus Auswirkungen haben wird, es durchaus legitim ist, dass der Kreistag konkretere Zukunftsszenarien als bislang vorgelegt zur künftigen Gesundheitsversorgung der Landkreisbürger einfordert“. Dazu gehöre „die Prüfung von Optionen zur Zusammenarbeit über die Grenzen des Landkreises hinaus oder die Konkretisierung der Optionen ambulanter Versorgungszenten in der Region genauso wie eine neue Ausrichtung der beiden bestehenden Häuser“. Was damit genau gemeint ist, wird dabei nicht ganz klar. Denn eigentlich liegen die beiden Szenarien dafür längst auf dem Tisch und wurden auch bereits mehrfach zum Teil in groben Zügen, zum Teil aber auch bereits im Detail und mit medizinischen Inhalten diskutiert.
Die Kreistagsfraktion der Freien Wähler habe am Wochenende in Kipfenberg Zwischenbilanz zur Diskussion um die Neuausrichtung der Kliniken im Naturpark Altmühltal gezogen. „Dabei kamen noch einmal alle Varianten auf den Tisch. Insbesondere sei besprochen worden, woran es aus Sicht der Freien Wähler noch klemme „und weshalb die Kreistagsfraktion zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu einer Entscheidung bereit ist“.
Bei „Zahlenbeterei“ Bürger „zu wenig mitgenommen“
Landrat Anetsberger und Geschäftsführung der Kliniken seien dabei für die Bereitstellung von Zahlen, Daten und Fakten im Kreistag und Verwaltungsrat der Kliniken gelobt worden. Allerdings sei selbst in den nicht-öffentlichen Sitzungen des Kreistags zu wenig Raum für einen ergebnisoffenen Austausch geschaffen worden. Fraktionssprecher Anton Haunsberger fasste die Diskussion zusammen: „Bei der ganzen Zahlenbeterei wurden unsere Bürgerinnen und Bürger zu wenig mitgenommen. Und genau deren Akzeptanz brauchen wir, wenn diese Neuausrichtung der Gesundheitsversorgung im Landkreis gelingen soll“, so Haunsberger. „Wenn unsere Bürger die Veränderung nicht annehmen, dann bleiben unsere Häuser wieder leer. Dann haben wir nichts gewonnen.“
„Um hier eine vernünftige Entscheidung treffen zu können, brauchen wir als Kreisräte eine ,Gesundheitslandkarte 2030′ des gesamten Landkreises bis zu den Rändern, ja auch über die Region hinaus“, fordert Fraktionssprecher Anton Haunsberger. Dies könne zum jetzigen Zeitpunkt „natürlich nur ein konkreter beschriebenes Zielszenario sein. Aber wenn wir das nicht auf den Tisch legen können, kann man als Kreistagsmitglied die Entscheidung auch schlecht seinen Bürgern erklären. Und solange das nicht vorliegt, läuft die Diskussion weiter auf dem Niveau: ,Die machen unser Krankenhaus dicht!’“, so Haunsberger. Um das zu verhindern, reiche die Absichtserklärung, eine Notfallambulanz aufrechterhalten zu wollen, nicht aus. Das müsse schon konkreter, für die Bürger nachvollziehbarer, überzeugender untermauert werden.
In ihren Überlegungen spielten offenbar auch die zahlreichen Informationsveranstaltungen vor Ort eine Rolle, die nicht nur Landrat Anetsberger gemeinsam mit der Geschäftsführung der Kliniken im Naturpark Altmühltal, sondern auch die Freien Wähler und andere Parteien durchgeführt hatten. Im Rückblick auf die Veranstaltungen in Hard, Eichstätt, Kösching und Altmannstein sehe sich die FW-Kreistagsfraktion bestätigt, dass von den Verantwortlichen im Landkreis zu wenig auf die Sorgen und Ängste der Bürger eingegangen wurde. Das Fazit: „Für eine Entscheidung fehlen noch einige wichtige Dinge. Mitarbeiter, Bürger und ehrenamtliche Kräfte wollen wissen und haben ein Recht darauf zu wissen, wie sicher sind diese aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten“, so Haunsberger. „Das heißt wie lange werden sie wirtschaftlich so existieren können?“
Der Beilngrieser Bürgermeister Helmut Schloderer habe es auf den Punkt gebracht: „Wie kann mit den vorgeschlagenen Varianten die stationäre, die ambulante und die Notversorgung unserer Bevölkerung gewährleistet werden?“ Auch dazu hatte man sich im Kreistag im bisherigen Verlauf der Diskussionen von verschiedenen Seiten durchaus schon geäußert – unter anderem die Geschäftsführung der Kliniken, Stefan Kalliga, Leiter des Rettungsdienstes im Landkreises, für den das BRK veranwtortlich ist, das für den Rettungsdienst im Landkreis verantwortlich ist, oder Martin Pesch (2. v. li.), Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin an den beiden Kliniken.
Dass man mittel- und langfristig eine Gesundheitsregion 10 anpeile, hatte man ebenfalls im Kreistag bereits mehrfach über Fraktionsgrenzen hinweg betont – allerdings dabei auch immer wieder festgestellt, dass man auf der Ebene des Landkreises nicht weitere Jahre warten könne, bis man sich auf Ebene der Region 10 in Detailfragen geeinigt habe. Wer die Diskussionen im Eichstätter Kreistag verfolgt hat und die jüngst immer hitzigeren und politisch zunehmend aufgeladenen Diskussionen siueht, der mag ahnen, wie schwierig solche Diskussionen über eine Gesundheitslandkarte in der Region 10 im Detail erst aussehen würden.
Für die Freien Wähler sei darüber hinaus „entscheidungserheblich, an welchem Standort und für welche Abteilung Erlöse erzielt werden können und an welchem Standort mit welchen Verlusten je Abteilung zu rechnen ist.“ Oder auch die Frage: „Wie realistisch wird die Verlagerung der Geburtshilfe von Kösching nach Eichstätt sein? Und was wird sie finanziell bedeuten? Wie soll die flächendeckende Verbesserung der Gesundheitsversorgung im gesamten Landkreis aussehen? Wie sind die konkreten Vorstellungen für die Kooperation mit dem Zweckverband Klinikum Ingolstadt? Warum bemühen wir uns nicht um Kooperationen Richtung Norden mit den umgebenden Landkreisen und Eichstätt im Zentrum?“
Ersteres scheint eher aus Köschinger Perspektive gedacht, Letzteres führt recht weit weg aus dem Landkreis Eichstätt und auch hinaus aus der Gesundheitsregion 10 und würde die Diskussionen erneut erheblich komplexer machen und verlängern. Vor allem aber stellt sich die Frage, warum diese Fragen nicht bereits zuvor im Kreistag gestellt wurden. Zu den genannten Fragen fordert Haunsberger als Fraktionssprecher der Freien Wähler „belastbare und vor allem realisierbare Durchführungswege. Diese aufzuzeigen, ist Aufgabe des Landrats und der Geschäftsleitung.“
Also einerseits will man weniger „Zahlenbeterei“, aber andererseits fordern die Freien Wähler wieder genau das: mehr Daten. Sind es also echte Fragen, die alles noch einmal in einem neuen Licht erscheinen ließe oder Spiel auf Zeit und der Versuch, politisch daraus Kapital zu schlagen, indem man sich gegebenenfalls einer Entscheidung entziehen oder sich zumindest als Kämpfer für beide Standorte präsentieren könnte, wie Kritiker einwerfen könnten? Klinikgeschäftsführer Marco Fürsich hat auf Anfrage von Ei-live bereits bestätigt, dass man die Zahlen entsprechend aufbereiten werde. Man darf gespannt sein auf die nächste Kreistagssitzung – und die Tage danach.