Das ist Unterhaltung mit Tiefgang – im wahrsten Sinne des Wortes. „Vigil“ avancierte in Großbritannien im letzten Jahr zur absoluten Erfolgsserie. Die sechsteilige BBC-Produktion über eine Mordermittlung und Verschwörung rund um das gleichnamige britische Atom-U-Boot begeisterte nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Kritiker – und ist angesichts realer Hintergründe und der internationalen Irritationen rund um militärische Aktivitäten Russlands auch politisch hochaktuell. Die erfolgreichste BBC-Serie des vergangenen Jahres ist aktuell in der Arte-Mediathek zu sehen.
Von Stephan Zengerle
U-Boot-Verfilmungen gibt es wahrlich genug. Die Enge und Beklemmung in der Tiefe ist schließlich bestens geeignet für spannende Unterhaltung und war auch in Deutschland spätestens seit Wolfgang Petersens internationalem Erfolgsfilm „Das Boot“ aus dem Jahr 1981 längst ein Thema. Im Gegensatz zur wenig inspirierten gleichnamigen deutschen Serienadaption von Petersens sechsfach Oscar-nominiertem Kinoerfolg, die 2018 erstmals zu sehen war und eher wenig Spannung zu bieten hatte, fesselt und funktioniert „Vigil – Tod auf hoher See“ weit besser.
Sinkender Fishtrawler und atomare Abschreckung
Internationale Spionageverwicklungen, Friedensaktivisten und ein toter Matrose an Bord eines Atom-U-Bootes – da haben Detective Chief Inspector Amy Silva (überzeugend gespielt von Suranne Jones) und ihre Kollegen allerhand aufzuklären. Eigentlich wird die Kommissarin nur der Form halber per Helikopter auf das Atom-U-Boot gebracht, um den Todesfall eines Matrosen für die schottische Polizei zu untersuchen, weil der Mann in britischen Gewässern gestorben ist – an einer Überdosis Drogen, wie alle annehmen. Doch Silva stellt schnell fest, dass es sich um Mord handelt und dass sich dahinter weit mehr verbergen muss.
An Land wird sie dabei unterstützt von ihrer Kollegin und Ex-Liebschaft Kirsten Longacre – gespielt von „Game of Thrones“-Star Rose Leslie –, die selbst bald herausfindet, dass es hier um weit mehr geht, als ein Drogendelikt mit Todesfolge. Das Problem dabei: Die beiden können kaum kommunizieren. Denn die HMS Vigil ist Teil der britischen „Trident“-U-Boot-Flotte zur atomaren Abschreckung, von denen immer eines mit abschussbereiten Atomraketen unterwegs ist – und zwar unerkannt. Die Boote gibt es tatsächlich, sie sind in der Serie wie auch im wahren Leben umstritten und sie waren auch im wahren Leben in Skandale wie etwa den Untergang eines schottischen Fischtrawlers verwickelt, der am Anfang der Serie steht.
So entwickelt sich eine spannende Thrillergeschichte mit vielen Wendungen und einer Ermittlerin, die wie in so vielen modernen Krimis ihr eigenes Bündel Probleme mit an Bord bringt – in diesem Fall ein Trauma: Seit sie bei einem Autounfall ihren Partner und Vater ihrer Tochter verloren hat, hat sie mit Panikattacken zu tun. Als Silvas für drei Tage geplanter Aufenthalt auf dem zwei Fußballfelder langen Boot kurzerhand verlängert werden muss, spürt man die Enge im Boot und fiebert mit der Ermittlerin mit, die bald die ganze Mannschaft gegen sich hat.
Parallele Ermittelungen
Die hochspannende Thriller-Serie fesselt. Nur die Rückblenden ins Privatleben der beiden Ermittlerinnen scheinen ab und an ein wenig fehl am Platz: Longacre und die bisexuelle Silva waren bis vor Kurzem auch privat liiert. Der Wechsel zwischen den Handlungssträngen in der Enge und im Halbdunkel des U-Bootes und der temperamentvollen Ermittlungsarbeit Longacres an Land funktioniert aber sehr gut – gerade weil die Ermittlerinnen eben nicht oder nur über die militärischen Kommunikationssysteme des Bootes Botschaften austauschen können – und auch das ist bald nicht mehr möglich.
Und so treiben Silva und Longacre für sich die Geschichte eines spannenden Thrillers rund um Verschwörung und einen politischen Skandal, Nato-Verwicklungen, Verbrechen und Lügen voran. „Vigil“ ist durchaus komplex. Da ist volle Konzentration gefragt, aber auch Spannung garantiert.
Wer vorher mehr wissen möchte, kann sich hier den Trailer anschauen: