Eichstätt. – Big Data ist einer der Megatrends der Digitalisierung: die Analyse riesiger Datenmengen, wie sie durch digitale Technik jeden Tag anfallen und erfasst werden. Die Auswertung dieser gewaltigen Datenpakete, wie sie etwa in Onlinemedien oder in digitalen Kommunikationsmedien entstehen, bieten auch viele neue Chancen für die Wissenschaft – etwa für die Sprachwissenschaft. Hier setzt die Forschung von Anna Kocher an. Die vor Kurzem ernannte Juniorprofessorin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) erforscht die romanischen Sprachen anhand von Mustern in der digitalisierten Sprache. Denn obwohl jeder Mensch zumindest seine Muttersprache und ihre inneren Regeln instinktiv versteht – für die Wissenschaft ist noch vieles unerforscht, was die geheimen Regeln hinter den Wörtern und Sätzen angeht. Hinter einer Sprache, die sich verändert und digitaler wird.
Dr. Anna Kocher (33) hat an der KU die neue Juniorprofessur für Digitale Romanische Sprachwissenschaft übernommen. Diese gehört zum Tenure-Track-Programm der KU zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, das mit rund fünf Millionen Euro aus dem entsprechenden Bund-Länder-Programm finanziert wird. Den Rahmen für den fachübergreifenden Austausch zwischen den insgesamt sieben Juniorprofessuren bildet ein Konzept zum Oberthema „Eine am Menschen orientierte digitale Gesellschaft“.
Im Sinne einer Grundlagenforschung beschäftigt sich Kocher mit dem Wechselspiel von Syntax – also der Satzstruktur – und Pragmatik – also der Bedeutung, die über die wortwörtliche hinausgeht. Ihr Ziel ist es, dadurch universelle Eigenschaften von Sprachen herauszufinden, die Aufschluss über die menschliche Kognition geben. „Was mich so fasziniert ist, dass jeder Mensch eigentlich das komplette Wissen über das komplexe System der Sprache besitzt, es aber offensichtlich viele Jahre an Forschung braucht, um auch nur kleine Aspekte dieses unbewussten Wissens offenzulegen. An diesem Rätsel zu arbeiten, finde ich sehr spannend“, so Kocher.
Dem Rätsel der Sprache auf der Spur ist
die neue KU-Juniorprofessorin Dr. Anna Kocher. Sie studierte Sprachwissenschaft und Romanische Philologie in Wien und Lissabon. Sie wurde 2019 im Fach Romanische Philologie an der Universität Wien promoviert. Am dortigen Institut für Romanistik war sie vor ihrem Ruf an die KU als Universitätsassistentin tätig. Foto: upd/Klenk
Die Digitalisierung gebe ihr als Sprachwissenschaftlerin die Möglichkeit, ein viel breiteres Methodenrepertoire zu verwenden, um zu untersuchen, wie Sprache funktioniere. So ließen sich große Mengen an Daten komfortabel bearbeiten und experimentelle Ansätze auf neue Weise gestalten, um das unbewusste Wissen von Sprechenden zu erschließen. Dabei erforscht sie zum Beispiel, wie Wortstellung, Betonung und lexikalische Mittel bei der Gewichtung von Information im Satz zusammenspielen. Die Erkenntnisse ihrer Forschung können dann in unterschiedlichen Bereichen Anwendung finden, wie etwa der Spracherkennung durch Computerlinguistik, der Sprachlehr- und -lernforschung oder der der Psycho- und Neurolinguistik.
Auch in der Sprachwissenschaft trage die Digitalisierung zu einem Paradigmenwechsel bei, die mittlerweile ebenfalls mit großen Datenmengen arbeite. „Es gilt zu untersuchen, wie theoretische Sprachwissenschaft von Big Data profitieren kann, sowie ob und wie sich die Theoriebildung dadurch neu konstituieren muss. Diesen Paradigmenwechsel durch das Tenure-Track-Programm an der KU mitgestalten zu können, finde ich sehr spannend“, betont Kocher. Jenseits der Perspektiven für ihre eigene Forschung, die Digitalisierung eröffnet, sei es ihr wichtig, auch etwa künftigen Lehrkräften Methodenkompetenz zu vermitteln. Wo sind zum Beispiel Chancen und Risiken von automatisierter Spracherkennung? Für Kocher steht fest: „Eine informierte Gesellschaft ist eine mündigere Gesellschaft.“ Im Verbund der weiteren Tenure-Track-Professuren an der KU sieht sie ein großes Potenzial für fachübergreifenden Austausch und Kooperationen.
Bezogen auf Forschung und Wissenschaft ist Juniorprofessorin Kocher generell eine Verfechterin der Idee von Open Science: „Diese Haltung hat für mich eine große Bedeutung für die Gesellschaft. Das Verständnis, dass Forschungsergebnisse und Daten ein Gemeingut sind, ist essenziell für mich. Forschung wird durch diese Offenheit dynamischer, kollaborativer und innovativer.“
Juniorprofessorin Dr. Anna Kocher studierte Sprachwissenschaft und Romanische Philologie in Wien und Lissabon. Sie wurde 2019 im Fach Romanische Philologie an der Universität Wien promoviert. Am dortigen Institut für Romanistik war sie vor ihrem Ruf an die KU als Universitätsassistentin tätig.