Eichstätt. – Wie lassen sich komplexe naturwissenschaftliche und technische Vorgänge im Unterricht digital erfahrbar machen, ohne dass die Umsetzung ein bloßes Event ist? Und welche Veränderungen bringen Zukunftstechnologien für Lehrerbildung, Schule und die Gesellschaft? Das neue Lehr-Lern-Labor „iLab“ an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) bietet Gelegenheit, solche Fragen in Kooperation mit regionalen (Bildungs-)Partnern zu reflektieren und zu erforschen. Dazu entwickeln auch Studierende laufend neue mobile Lernstationen, die samt didaktischem Begleitmaterial ausleihbar sind. Durch die Kooperation mit Partnerschulen der KU werden die Ergebnisse kontinuierlich erforscht und evaluiert. Gefördert wird die Einrichtung aus einem Innovationsfonds der KU, der vom Projekt „Mensch in Bewegung“ aus Mitteln des Bundesforschungsministeriums finanziert wird.
Mit entsprechendem Material aus dem iLab der KU können interessierte Lehrkräfte zum Beispiel die Planeten des Sonnensystems im wörtlichen Sinn dreidimensional begreifbar machen: Die Schüler halten dabei einen Würfel in der Hand, der sich – betrachtet durch ein Tablet – in einen der Planeten verwandelt und sich virtuell frei drehen und wenden lässt. Eine andere Station bietet Gelegenheit, die Funktion von 3D-Druckern und der dazugehörigen Konstruktionssoftware kennenzulernen. Dies eröffnet sowohl die Möglichkeit, sich mit den Methoden moderner Produktionsverfahren zu befassen, als auch Perspektiven für den Kunstunterricht: Die Schüler entwerfen ein Modell für eine Skulptur zum Thema „Kunst im öffentlichen Raum“. Diese wird ausgedruckt und anschließend digital auf einem zuvor fotografierten Hintergrund digital platziert.
Federführend für das iLab sind Dr. Petra Hiebl (Grundschulpädagogin und stellvertretende Vorsitzende des Zentrums für Lehrerbildung) sowie Dr. Michael Köck (Leiter der Facheinheit Arbeitslehre und Wirtschaftsdidaktik) gemeinsam mit Dr. Maximiliane Schumm (Biodidaktik) und Christian Neumair (Didaktik der Mathematik). „Digitale Teilhabe heißt für uns vor allen Dingen, Bildungsformate zu entwickeln, die dazu motivieren, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen“, betont Hiebl. Dazu brauche es nicht nur Informationen, sondern auch Erfahrungsräume. Dr. Michael Köck ergänzt: „Robotik, Smart Home oder Klimawandel – solche komplexen Themen reichen oft über einen einzelnen Wissenschaftsbereich hinaus und sind deshalb für Lehramtsstudierende nur zum Teil zugänglich. Aber es sind gerade die Lehrerinnen und Lehrer, die auf die Chancen und Risiken einer digitalisierten Welt vorbereiten sollen. Das iLab will solche Erfahrungen möglich machen.“ Generell müsse die Entschlüsselung der digitalen Welt als Auftrag an alle Bildungseinrichtungen, Schulen oder Fächer gesehen werden. Es gelte, Zugänge zu den kausalen naturwissenschaftlichen, funktionalen technologischen und intentionalen humanen Aspekten der Digitalisierung zu ermöglichen.
Wichtig sei es, dass der Begriff „Digitalisierung“ keine Worthülse bleibe, sondern für ein dauerhaftes, didaktisch sinnvolles Bildungsangebot stehe, dass im Lernplan verankert sei. Aus Perspektive der Lehrkräfte stelle sich etwas die Frage, wie eine Lernstrecke konzipiert sein müsse, die dem Lerner eine möglichst selbsttätige Erschließung komplexer Lerngegenstände erlaube und den Kompetenzzuwachs durch bereits Gelungenes, Verstandenes und Vollendetes spürbar werden lasse.
Bei einem Workshop mit Lehrkräften im iLab an der KU stellte nun Florian Kubiak, medienpädagogisch-informationstechnischer Beratungsrektor des Schulamts im Landkreis München und der Landeshauptstadt München, neueste Technik für den Einsatz von sogenannter „Extended Reality“ vor: „erweiterter Realität“. Dabei wird die reale Welt optisch mit virtuellen Elementen erweitert. Ein virtuell im Raum stehender menschlicher Körper etwa lässt sich bis in die Herzkammer hinein erkunden. Neben dem visuellen Eindruck spielt auch die Immersion eine Rolle, also das Gefühl, sich in realen Räumen und Situationen zu befinden.
Die App „Enter the room“ etwa lässt die Nutzer auf emotional ergreifende Weise die Folgen eines Krieges erahnen: In einem anfänglich farbenfrohen Kinderzimmer mit Spielsachen und Kinderbüchern kann man sich frei bewegen. Erste Kanonenschüsse ändern die Atmosphäre und die Stimmung im Raum wird bedrückender. Auf den von Kinderhand gemalten Bildern dominieren nach einer Weile Panzer und Waffen. „Mit neuen innovativen digitalen Elementen wird es also möglich, Bildung ganz neu zu erleben und zu denken“, betonen Hiebl und Köck.
Weitere Informationen zu den Angeboten des iLab der KU und seinen Einsatzmöglichkeiten im Bildungsbereich finden sich unter www.ilabku.com.
Das iLab der KU (Raum 005, Kollegiengebäude E, Ostenstraße 26, Eichstätt) bildet am Mittwoch, 19. Januar 2022, den Rahmen für eine Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „Künstliche Intelligenz trifft (Lehrer-)Bildung“. Es sprechen dabei die Ulmer Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer und ihre Ingolstädter Kollege Dr. Reinhard Brandl.
Kemmer war unter anderem Obfrau der Obfrau der CDU/CSU in der Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“. Brandls Interesse gilt allen Fragen der Digitalisierung der Bundeswehr und der öffentlichen Verwaltung. Er ist zudem Mitglied im Aufsichtsrat der „Artificial Intelligence Network Ingolstadt gGmbH“ (AININ).
Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung, für die vorab eine Anmeldung erforderlich ist, gibt es unter www.ku.de/news/kuenstliche-intelligenz-trifft-lehrer-bildung.