Ohne Zweifel darf die ehemalige Sommerresidenz der Fürstbischöfe in der Ostenvorstadt Eichstätts als eines der schönsten Gebäude der Stadt und eines der Hauptwerke Gabriel de Gabrielis gelten. Heute ist sie nicht nur Herzstück des Hofgartens, sondern auch Verwaltungssitz der einzigen katholischen Universität im deutschsprachigen Raum. Einst aber residierten in der barocken Leichtigkeit des Areals die Eichstätter Fürstbischöfe, auf deren Spuren sich Kunsthistorikerin Dr. Claudia Grund, Leiterin des Domschatz- und Diözesanmuseums Eichstätt, beim „Geistigen Mittagstisch“ machte – erstmals in diesem Jahr wieder in Präsenz auf einer Reise durch die Jahrhunderte mit jenem Sommerschloss als Fixpunkt.
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts hatten die Bischöfe von Eichstätt auf der Willibaldsburg gewohnt und Hof gehalten, wie Grund beim Rundgang durch den Hofgarten ausführte. Obwohl sie unter Johann Konrad von Gemmingen im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert zu einem zeitgemäßen Renaissanceschloss mit großem botanischem Garten ausgebaut worden war, wurde seit etwa 1700 der Plan verfolgt, die Hofhaltung wieder in die Stadt zu verlegen.
Mit dem endgültigen Umzug von Fürstbischof Franz Ludwig Schenk von Castell in die Stadtresidenz im Jahr 1727 werden neue Hofstallungen erforderlich, welche durch Gabrieli am Graben angelegt werden. Auch das Streben nach einem Hofgarten folgt durchaus der zeitgenössischen Tendenz in den Residenzstädten, in den Außenbezirken Lustschlösser und Gärten für den sommerlichen Aufenthalt der Herrschenden anzulegen. Für den Eichstätter Hofgarten wählt man ein Gelände in der Ostenvorstadt, an dem sich teils seit mindestens 1696 ein fürstlicher Garten befand, das sich andererseits im Besitz des Metzgers und Bürgers Georg Waller befand, mit dem langwierige Verhandlungen zu führen waren.
Gabrieli errichtet Sommerschloss mit rund 100 Metern Länge
An der Nordflanke des wohl bereits 1733 weitgehend vollendeten Hofgartens errichtet Gabriel de Gabrieli von 1735 bis 1737 das 100 Meter lange und weitgehend symmetrisch angelegte Sommerschloss, welches das Gelände zur Straße abschirmt und gleichzeitig den Zugang bildet. Die Hauptfassade ist im Sinne eines Belvederes dem Garten zugewandt und hier weitgehend geöffnet. Das Schloss vereinigt zwei verschiedene Funktionen und macht dies auch nach außen geradezu genial in Dimensionierung und architektonischer Sprache deutlich.
Die Wohn- und Repräsentationsräume besetzen den Hauptbau. Die der Freizeit und Erholung dienenden Wandelgänge befinden sich in den luftigen Seitenflügeln und Eckpavillons. Der aus sieben Teilen bestehende, in der Höhe wie in der Tiefe gestaffelte Bau hat seine Vorbilder einerseits in der französischen Schlossarchitektur des 17. Jahrhunderts, und andererseits insbesondere in der im 16. Jahrhundert entstandenen Villenarchitektur des italienischen Architekten Andrea Palladio. An dessen Formenschatz orientieren sich insbesondere die Bogenstellungen der Wandelgänge, wobei Gabrieli die geschmeidigere und elegantere Form des sogenannten syrischen Bogens verwendet. Gerade diese Bogenstellungen gehören ebenso zu seinem architektonischen Repertoire wie der durch Wandpfeiler gegliederte Mittelbau mit seinem Dreiecksgiebel sowie die so charakteristischen Mandardwalmdächer.
Bis zur Säkularisation von Fürstbischöfen bewohnt
Der unter Gabrieli in französischem Stil angelegte und zur Altmühl hin eigens aufgeschüttete Garten mit seinen geometrischen Wegeführungen und Heckenformationen, mit Beeten und Brunnen, endet nach Süden mit einer damals noch geschlossenen Mauer, deren Mitte und Ecken drei eingeschossige Pavillons besetzen. Diese antworten in Gliederung und Bedachung gleich einem architektonischen Echo direkt auf die Sommerresidenz. Der mittlere Pavillon, der auf der Stadtansicht des Hochstiftkalenders von 1758 in seiner ursprünglichen Form zu erkennen ist, wurde durch Gabrielis Nachfolger Mauritio Pedetti 1779 bis 1781 zur heutigen Form des Muschelpavillons umgestaltet.
Naturaliensammlung der Leuchtenberger und Kaserne des Königreichs
Die Fürstbischöfe nutzten und bewohnten ihre Sommerresidenz auch noch nach der Säkularisation im Jahre 1802, bis sie 1817 in den Besitz des Herzogs von Leuchtenberg überging. Die Leuchtenberger ließen den Garten im damals modischen englischen Stil als Landschaftspark umgestalten und nutzten das Sommerschloss, das sie nie bewohnten, für ihre berühmte Naturaliensammlung. Nach dem Verkauf des herzoglichen Besitzes an das Königreich Bayern im Jahre 1855 brachte die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts die Nutzung der Sommerresidenz als Kaserne und damit einschneidende bauliche Veränderungen und Substanzverluste.
Seit 1980 repräsentative Zentralverwaltung der KU
1899 wurde der Bau für das Bischöfliche Seminar erworben, das ihn bis 1965 für seine umfangreiche Bibliotheksbestände sowie die Sammlungen des Diözesanmuseums nutzte. Seitdem funktionslos und weitgehend leer stehend, sollte das ehemalige Sommerschloss bald eine völlig neue Aufgabe erhalten: als repräsentative Zentralverwaltung der Pädagogischen Hochschule beziehungsweise seit 1980 der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Die 1970 bis 1974 unter Leitung Karljosef Schattners restaurierte Bausubstanz und künstlerische Ausstattung wurde zuletzt von 2010 bis 2013 durch das Diözesanbauamt in Zusammenarbeit mit Werner Prokschi erneut aufwendig saniert. Text: Claudia Grund