Der Himmel ist schon dunkel, die Bühnenscheinwerfer leuchten umso stärker und der Gefühlsüberschwang vor der Bühne erreicht seinen Höhepunkt. „Du entschuldige, i kenn di, bist du ned die Klaane, die i scho als Bua gern g’habt hab“, singt die Menge im Eichstätter Stadtgarten mit und, diesmal ist es die Band „Austria Ei“ auf der Bühne, die ihrem Publikum applaudiert, das nach der Coronapause im Laufe des Konzertabends auch stimmungsmäßig immer mehr aufgetaut ist. Es ist bunt gemischt aus Jung und Alt – denn auch das ist eine Besonderheit des Austropop-Liedguts: Es begeistert generationenübergreifend.
Kurz zuvor hatte der VfB Eichstätt noch gegen Sandro Wagners Unterhachinger gespielt, direkt darauf fand am Samstagabend nur wenige Hundert Meter entfernt das „Heimspiel 2.0“ für den ehemaligen VfB-Torhüter Thorsten „Toaster“ Heinz statt, wie er selbst sagt. Mit „Austria Ei“ frönte er seiner zweiten Leidenschaft: dem kultigen alpenländischen Liedgut. Schließlich waren es Lieder wie der „Großvater“ von STS, die ihn nie losgelassen hatten und mit denen er inzwischen regelmäßig auf der Bühne steht – immer ehrenamtlich und mit seiner eigenen Version von „STS“.
Eichstätter Version von „STS“
Denn auch die Spitznamen der drei „Austria EI“-Sänger Sänger Schorsch (Irmer) – Toaster – Schorsch (Kleesattel) ergeben dasselbe Anagramm wie bei der berühmten Austriapop-Formation mit ihren herrlich-nachdenklich-schnulzigen Liedern – wie dem „Großvater“, den der Toaster schon 1999 im Weinhäusl mit dem Duo „Zwoarerloa“ erstmals gesungen und sich damals den inoffiziellen Titel des „Weinhäusl-Königs“ gesichert hatte. Daraus ist längst viel mehr geworden: „Austria EI“ – eine neunköpfige Formation, die schon deshalb aus der durchaus beachtlichen Zahl an Austropop-Coverbands hervorsticht. Denn hier geht es nicht um Rendite, die geteilt werden müsste, sondern pure Freude am gemeinsamen Auftreten und Musikmachen – und natürlich jenem zeitlosen Liedgut „made in Austria“.
Den rund 350 Gästen im Maria Ward Stadtgarten war die Freude über das Comeback der Kultur nach der Pandemiepause anzumerken, und bei Klassikern wie „Fürstenfeld“ oder „Skifoan“ von Wolfgang Ambros wurde natürlich kräftig mitgeklatscht und mitgesungen. Im Gegensatz zu so vielen Popsongs, die so schnell vergessen sind, wie sie aufgetaucht sind, können diese Lieder auch nach Jahrzehnten immer noch die meisten mitsingen – und zwar generationenübergreifend Jung und Alt.
„Das liegt einfach an dem besonderen Lebensgefühl und den Dingen, die da besungen werden, die einfach jeder kennt“, sagt Klaus Kopischke, der bei „Austria EI“ am Keyboard sitzt – und selbst im Gegensatz zum „Toaster“ zwar wenig Verwandte mit dem österreichischen Idiom hat, dafür aber reale Verwandte: „Mein Urgroßvater stammt aus dem Burgenland“, erzählt Kopischke, der nicht nur selbst mit auf der Bühne steht, sondern als Vorsitzender des MuT e. V. auch noch die Verantwortung trägt. Musikalischer Leiter des Projekts ist Gitarrist Christian „Grisu“ Mahler. Dazu kommen Tobias Frey am Bass, Michael Simon am Schlagzeug, Andreas Kaffka am Saxophon, der derzeit von Andreas Würzburger würdig vertreten wird, und Gitarristin Anja Albrecht sowie Techniker Ralph Wein, „der uns schon oft gerettet hat“, wie Heinz und Kopischke lachend erzählen. „Austria EI“ ist schließlich eine rein ehrenamtliche Formation. Alle Einnahmen gehen entweder an einen guten Zweck – bei dem Konzert im Stadtgarten an Kulturveranstalter Fred Pfaller, den die Coronakrise massiv getroffen hatte – oder in die Vereinskasse des Eichstätter Kulturvereins.
Tabubrüche und heile Welt
„60 bis 80 Prozent Klassiker“ machten immer wieder das Programm bei „Austria EI“ aus. Die besingen oft Schicksalsschlaäge, Außenseiter wie den „Sandlerkönig Eberhard“ oder eben den „Zentralfriedhof und alle seine Toten“ . Aber irgendwie geht es dabei trotz aller Abseitigkeiten des Lebens und charmant-verpackten Tabubrüche auch um die heile Welt – nach denen sich heute offenbar viele Menschen sehnen. „Es sind einfach lebensnahe Lieder, die viele Menschen berühren“, sagt Thorsten Heinz. „Dieses Gefühl des wie bei ,Irgendwann bleib i dann dort’ kennt einfach jeder.“
Aber auch das modernere Liedgut „made in Austria“ begeisterte das Publikum im für den Coronasommer improvisierten Eichstätter Stadtgarten hinter der ehemaligen Maria-Ward-Schule. Zu „Ham kummst“ von Seiler & Speer feierten die Konzertbesucher im Stadtgarten auch die Rückkehr der Kultur – unter ihnen viele „Austria Ei“-Stammgäste, die der Band treu auf viele Konzerte gefolgt sind – denn die sind rar gesät. Insgesamt rund 20 Auftritte hatte die Formation seit dem ersten Auftritt im Wirtshaus „Zum Gutmann“ im November 2014. Der spektakulärste war sicher der beim Tollwood-Festival in München, als „Austria EI“ am Nachmittag im „Hexenkessel“ auftrat und das berstend volle Zelt in ein Tollhaus verwandelten, in dem 1500 Leute feierten und mitsangen. Wie gesagt: das schräg-schöne Liedgut aus der Alpenrepublik lässt – so oder so – die wenigsten kalt. Vor Kurzem erst feierten die Besucher „Austria EI“ daher noch bei einem Konzert mit Coronaregeln im Deutschen Theater in München – nun eben beim „Heimspiel 2.0“ im Maria Ward-Stadtgarten.