Der Klimawandel ist auch in Eichstätt spürbar und nachweisbar – das legen neue Ergebnisse einer aktuellen wissenschaftlichen Studie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) nahe. Die Durchschnittstemperatur ist deutlich gestiegen, seit den 80er-Jahren sogar beschleunigt, das legt die wissenschaftlcihe Studie eines Studenten an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) nahe. Geographie-Student Jakob Rickert hat dafür Klimadaten über einen Zeitraum von 95 Jahren analysiert.
Nicht erst seit der Flutkatastrophe in den letzten Wochen ist der Klimawandel mit seinen möglichen Folgen wieder ein Dauerthema. Doch er vollzieht sich über lange Zeiträume und ist vor allem historisch und regional nur mit viel Fleißarbeit zu belegen – wie sie Jakob Rickert in seine Bachelorarbeit investiert hat und Wetterdaten aus fast einem ganzen Jahrhundert aus.
Seit 1955 zeichnet der Deutsche Wetterdienst im Eichstätter Ortsteil Landershofen meteorologische Parameter wie die Temperatur auf. Seit 2016 ist wiederum die Wetterstation auf dem Campus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) in Betrieb. Für den Geographie-Studenten Jakob Rickert entstand so die Frage, wie sich die Eichstätter Temperaturen für die Zeit vor 2016 rekonstruieren lassen, in denen noch keine Messung auf dem Campus der KU erfolgte? Denn vergleicht man die Messwerte beider Standorte, die nur rund drei Kilometer entfernt voneinander liegen, unterscheiden sie sich vor allem in den Sommermonaten um ein bis eineinhalb Grad Celsius. Hintergrund dafür sind die städtische Bebauung und Unterschiede im Zustrom von Kaltluft.
Historische Daten einbezogen
Betreut von Professor Tobias Heckmann vom Lehrstuhl für Physische Geographie hat Rickert in seiner Bachelorarbeit nicht nur die seit 1955 vorliegenden Werte der DWD-Station in ein statistisches Verfahren einfließen lassen, sondern auch eine historische Quelle, die noch in die Zeit vor der DWD-Station zurückreicht. Das 1955 erschienene Buch „Die Temperaturverhältnisse von Eichstätt/Bayern“ von Oswald Menzl enthält Messdaten einer damals auf dem Gelände der bischöflichen Seminargärtnerei installierten Wetterstation für die Jahre 1926 bis 1954, nahe dem heutigen Standort der KU-Wetterstation.
„Für den vergangenen Juni konnte man so erstmals exakt bestimmen, dass die durchschnittliche Temperatur von 20,4 Grad Celsius um 3,4 Grad höher lag als im Referenzzeitraum von 1961 bis 1990.“
Prof. Tobias Heckmann, Lehrstuhl für Physische Geographie
Das Ergebnis von Rickerts Untersuchung ist eine Zeitreihe von 95 Jahren für die Temperatur in Eichstätt. „Diese ist äußerst wertvoll, um die Abweichungen der Temperatur für einzelne Monate, Jahreszeiten oder Jahre nun genau darstellen zu können“, erläutert Professorin Susanne Jochner-Oette, die gemeinsam mit dem studentischen Arbeitskreis Wetterschau die KU-Wetterstation betreut. Professor Heckmann ergänzt: „Für den vergangenen Juni konnte man so erstmals exakt bestimmen, dass die durchschnittliche Temperatur von 20,4 Grad Celsius um 3,4 Grad höher lag als im Referenzzeitraum von 1961 bis 1990.“
Anstieg um 0,9 Grad und weit mehr „Hitzetage“
Jakob Rickerts Untersuchung zeigt, dass die Lufttemperatur in Eichstätt über rund 100 Jahre einen deutlichen Anstieg verzeichnet, der sich in etwa ab den 1980er-Jahren beschleunigte. Die Jahresmitteltemperatur stieg um 0,9 Grad Celsius von 8,7 Grad Celsius im Zeitraum 1961 bis 1990 auf 9,6 Grad Celsius (1990-2019), zeitweise mehr als die Erwärmung der globalen Mitteltemperatur. Der Temperaturanstieg trifft besonders auf die Sommermonate zu, was sich unter anderem in einem häufigeren Auftreten von sogenannten Sommer- und Hitzetagen äußert. Dies sind Tage, an denen die Temperatur die 25 Grad- beziehungsweise 30 Grad-Marke übersteigt. Beispielsweise stieg der Durchschnitt von fünf Hitzetagen pro Jahr im Zeitraum 1926 bis 1950 auf 25 Hitzetage pro Jahr im Zeitraum 1995 bis 2019 an. Aktuell gab es im Juni elf Hitzetage.
Nur noch 17 statt 28 „Eistage“ im Winter
Doch nicht nur die Eichstätter Sommer werden wärmer, auch die Winter. Während es im Zeitraum 1926 bis 1950 im jährlichen Durchschnitt 28 Eistage mit ganztägigen Temperaturen im Minusbereich gab, waren es zwischen 1995 und 2019 nur durchschnittlich 17 Eistage pro Jahr. Dass auch in Zeiten des Klimawandels Temperaturen gemessen werden, die tiefer sind als das Mittel, zeigen die Frühjahrsmonate April und Mai, welche 1,6 Grad Celsius, beziehungsweise 2,5 Grad Celsius kühler waren als in der Periode 1961 bis 1990. Der Grund hierfür waren Großwetterlagen, die für tiefere Temperaturen sorgten. Beispielsweise dominierte Ende Mai ein ausgedehnter Tiefdruckkomplex über Nordeuropa, welches kühle Atlantikluft nach Deutschland transportierte und Schauer, Gewitter und Sonnenschein im Wechselspiel entstehen ließ.
Zahlreiche Hinweise für langfristige Entwicklung auch vor Ort
Das Wetter kann ohnehin kurzfristig immer unterschiedlich ausfallen. Genau deshalb sind solche systematischen Auswertungen aller vorhandenen Daten nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten auch wertvoll, um Entwicklungen nach den Fakten beurteilen zu können. Die Auswertung der Daten in Richerts Studie jedenfalls deutet ganz klar auf ein Ergebnis: Der Klimwandel, der überall auf der Welt etwa in schmelzenden Eismassen in der Arktis, dem Anstieg des Meeresspiegels oder einem Anstieg der Starkwetterereignisse überall in der Welt registriert wird, ist auch in Eichstätt messbar. Für solche lokalen und regionalen Auswirkungen des Klimawandel gebe es inzwischen zahlreiche Hinweise, hatte Susanne Jochner-Oette bereits vor rund einem Jahr gegenüber dem Eichstätter Journal bestätigt, beispielsweise bei Schädlingsbefall, Pollenflug und veränderten Blühzeiten. Mit ihrem Team hat sie etwa auch untersucht, wie Bäume im Hofgarten darunter leiden und sich anpassen – beispielsweise, indem sie die Blattöffnungen schließen, um eine zu starke Verdunstung zu verhindern.