Eichstätter Autor Florian Schmidt wäre beinahe selbst an Corona gestorben – und schreibt nun darüber ein Buch
Dass es bei ihm weit kommen könnte, hatte er nie gedacht. Schließlich stand er voller Tatendrang mitten im Leben und in Theaterproben für ein neues Stück im Deutschen Theater in München. Vermeintlich eine leichte Grippe im Anflug, dann doch plötzlich ein unerwartet positiver Corona-Test – so harmlos ging es los. Schon die Proben mit den Schauspielern seien ihm immer schwerer gefallen und letztlich ein wenig entgleist, erinnert sich Florian Schmidt. Aber was nach dem positiven Testergebnis folgte, hätte sich der bekannte Eichstätter Regisseur und Autor selbst in seinen wildesten Träumen nicht ausgemalt: Eine elende Zeitspanne aus sich vermischenden Tagen und Nächten, im Sitzen und im Delirium. Liegen ging nicht mehr. Sobald er sich hinlegte, wehrte sich sein Körper mit massiven Hustenanfällen. Dann ein alarmierender Sauerstoffbefund im Blut, die Einlieferung an Heiligabend und ein Krankenhausaufenthalt in akuter Lebensgefahr, der für ihn zum Trauma wurde, mit dem Schmidt noch ein halbes Jahr später zu kämpfen hat – und nun in einem Buch verarbeitet hat.
Plötzlich sind sie wieder da, die Tränen. Sie kommen unvermittelt. Gerade hat Florian Schmidt noch entspannt und lebendig, wie sich das für einen Regisseur und Dramaturgen gehört, über seine schrecklichen Erlebnisse erzählt und mit Galgenhumor sogar Witze über sein Leben in Lebensgefahr gerissen. Dann schlägt das Trauma zu: Als er schildert, wie die Hightechgeräte rund um das Krankenhausbett der Frau, die mit ihm Zimmer auf der Intensivstation lag, plötzlich zu blinken und zu piepsen anfingen, wie die Pflegekräfte in konzentrierter Hektik um ihr Leben kämpften, während er daneben im selben Zimmer mit einer jener „High-Flow-Masken“ mit mehreren Litern Sauerstoff pro Minute quasi druckbeatmet wurde, packen ihn die Bilder in seinem Kopf und reißen ihn wieder mit in die beklemmende Gefühlswelt eines schweren Covid-Verlaufs. Dann erlebt er noch einmal, wie die Ärztin irgendwann nach langem Kampf vom Bett wegtrat und einfach nur den Kopf schüttelte. Wie ihm trotz des Morphiums sofort klar war, was das hieß: Dass seine Bettnachbarin nie wieder aus dem künstlichen Koma aufwachen würde. Dass sie gerade völlig alleine, ohne jeden Zuspruch, ohne Abschied verstorben war – weil sie den Kampf gegen jenes seltsame Virus verloren hatte.
Seine Hände zittern auch heute, ein halbes Jahr später, noch leicht, als er sich die Augen trocken reibt, die Stimme bricht kurz. Seine Frau Martina rückt ihren Stuhl näher heran, hält seine Hand. Sie kennt diese Momente, in denen es ihm immer noch ganz plötzlich den Boden unter den Füßen wegzieht und er wieder in ein tiefes Loch zu fallen scheint – eines, in dem man nicht mehr selbst atmet, sondern „geatmet wird“, wie es in dem Manuskript für sein Buch heißt, in dem er über seine Erlebnisse berichtet.
„Flashback-Flucht“ aus dem Supermarkt
So wie auch neulich im Supermarkt, als er eine Packung Mandelmehl in der Hand hatte und sich auf einmal wunderte, wie Mehl ihn so traurig machen könne. Es war natürlich nicht das Mehl, das war ihm auch sofort klar. Es war einer jener „Flashbacks“, eine Panikattacke, die ihn zwang, so schnell er konnte aus dem Supermarkt zu fliehen und sich in seinem Auto auf dem Supermarktparkplatz von jenen Gefühlen und den Tränen überwältigen zu lassen. Irgendwann habe er dann seine Tochter Marion angerufen, die in jenen Monaten so unglaublich stark, verständnisvoll und hilfsbereit gewesen sei, dass er davon völlig überwältigt ist.
In solchen „Flashbacks“, so hat es ihm eine befreundete Therapeutin vor der Reha erklärt, verarbeite die Seele Erlebnisse, die so schlimm gewesen seien, dass diese totale Überforderung quasi nachwirkt: Sie wird quasi portionsweise verarbeitet. Wie bei Soldaten, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Das passiere oft auch, wenn es einem gerade besonders gut gehe, erklärt Schmidt er. „Dann traut die Seele einem wohl zu, dass man wieder ein Stück von dem Trauma verarbeiten kann“, sagt er grinsend. Den Humor hat er nie verloren. Das hat ihm vielleicht das Leben gerettet, denkt er heute.
„Ich glaube, dass in jedem Zimmer auf der Intensivstation ein leichter Fall und ein schwerer liegt. Und die Frau neben mir liegt ja im künstlichen Koma mit einem Schlauch im Hals. Also bin ich doch offensichtlich der leichte Fall“ – so hatte er es seiner Frau Martina am 29. Dezember geschrieben. Doch sie wusste es besser: „Frau Schmidt, ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Ihr Mann die nächsten 24 Stunden überlebt“, hatte ihr der zuständige Arzt gerade am Telefon sagen müssen. Besuche waren nicht erlaubt, aber auch sie selbst befand sich ohnehin in Quarantäne – auch sie war zwischenzeitlich positiv getestet worden. Sie habe sich wohl trotz aller Vorsicht bei ihrem Mann angesteckt, aber im Gegensatz zu ihm nur einen leichten Verlauf wie bei einer schweren Grippe – so wie die Covid-Erkrankung glücklicherweise bei vielen Menschen verläuft. Der Geschmackssinn war irgendwann weg, kam aber nach einigen Wochen allmählich wieder.
Aber es gibt eben auch jene anderen, die schweren Fälle. „Laut Statistik sterben 50 Prozent der Intensivpatienten durch das Coronavirus“, weiß Schmidt heute aus einer Studie. So steht es auch in seinem Buchmanuskript. „Ich blicke mich im Speisesaal der Reha-Klinik um. Hier sitzen 54 Postcorona-Betroffene, die alle auf Intensiv gelegen sind“, heißt es dort. „Das heißt, dass auf jeden von uns hier ein Toter kommt, der mit einem Schlauch in der Luftröhre, in einem Raum voll piepender, blinkender Geräte, seelisch und körperlich am tatsächlichen Ende, ausgeliefert und ganz alleine stirbt. Vielleicht, wenn er Glück hat, ist da eine in einem Gummihandschuh steckende Hand, die ihm die seine hält. Vielleicht sieht er zuletzt noch ein Augenpaar hinter einem Plastikvisier, das ihn anschaut, weil der Rest dieser Person vollkommen vermummt vor ihm steht“, so schreibt er.
„54 Menschen haben überlebt, das sind wir hier im Speisesaal der Reha-Klinik. 54 Menschen sind gestorben, die sind nicht mehr hier. 54 mal trauern Familien, Angehörige, Freunde, Kollegen, Nachbarn und Bekannte um einen, der noch hier sein sollte.“ Auch dafür möchte er mit seinem Buch sensibilisieren. „Wie viele werden noch sterben, bis die Dummheit aufgibt und erkennt, dass Covid 19 keine Grippe ist, dass es real ist?“ 83 Tote sind es nach offiziellen Angaben bei Redaktionsschluss gegen Ende Mai im Landkreis Eichstätt. Florian Schmidt ist keiner davon. Er hat knapp überlebt. Dabei war sein Sauerstofflevel in jenen kritischen Stunden auf ein stark lebensbedrohliches Niveau gefallen.
Dabei haben auch die Schmidts Corona zwischendurch für nicht ganz so gefährlich gehalten. „Wir haben uns an die Regeln gehalten und zu Hause an der Eingangstür einen Desinfektionsmittelfläschchen genutzt“, sagen sie. „Aber in der gesamten weitläufigeren Großfamilie mit über 50 nahen Verwandten in der Region gab es keinen einzigen Fall.“ Wie konnte das denn sein? Und so war man sich zwischendurch nicht ganz sicher, wie ernst man das Ganze nehmen musste – eine trügerische Sicherheit, wie sie so viele im Lauf des Pandemiejahres schon erlebt haben. „Wir haben trotzdem aufgepasst – und dennoch hat es uns erwischt“, sagt Martina Schmidt.
Lebensrettende „Druckbetankung“
Elf Tage, nachdem der Corona-Test positiv gewesen war, kämpfte Florian Schmidt sitzend auf der Intensivstation gegen den Tod. Die Sauerstoffwerte in seinem Blut sind trotz dauernder Beatmung so niedrig, dass kein Arzt sagen kann, ob er überleben oder einfach einschlafen und an Organversagen sterben würde. Fünf Tage, nachdem er an Heiligabend ins Krankenhaus gekommen war. Sein Sauerstofflevel war damals schon erschreckend niedrig gewesen: 84, also Unterversorgung und auf Dauer lebensgefährlich, so hatte seine Schwägerin sofort festgestellt, die Ärztin ist und die Martina Schmidt in ihrer Not gerufen hatte, als es ihrem Mann immer schlechter ging. Wäre das so weitergegangen, wäre er vielleicht zu Hause auf dem Sofa schon einfach eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Doch an jenem 29. Dezember war die Lage für ihn selbst nach vier Tagen Intensivstation noch kritischer.
Wie er diese Zeit überstanden hat, weiß er nicht so wirklich. Er hatte längst sein Zeitgefühl verloren. Die schlimmsten zwei Tage und Nächte bestanden zu dieser Zeit aus Vier-Stunden-Schichten. Die eine, in denen er jene „High-Flow-Maske“ tragen musste, die mit hohem Druck auf seinen Kopf und sein Gesicht geschnallt sein musste, weil mit noch höherem Druck mehrere Liter Sauerstoff pro Minute durch ihn durch rauschten, als wolle m an ihn in Sauerstoff ertränken. „Man konnte nicht einmal den Atem anhalten.“ Seine Stimme war ohnehin angegriffen, sprechen schwierig und anstrengend.
Eine Art lebensrettende Druckbetankung, Schweißausbrüche, Dauerstress und totale Erschöpfung gleichzeitig. Und nach den vier Stunden folgte dann eine Weiterbeatmung über Sauerstoffschläuche in der Nase. Dazwischen immer wieder Blutentnahmen an den Armen, schmerzhafte Zugänge und anderes mehr. Klogehen unmöglich, stattdessen eine Schüssel und Pflegepersonal, das ihn wusch und buchstäblich den Hintern auswischte – in Schutzanzügen wie in einem jener Hollywood-Virusfilme wie „Outbreak“, in denen die Menschheit gegen ein Killervirus kämpft. Das Coronavirus ist sicher nicht so flächendeckend tödlich wie jene Hollywood-Varianten – man verwandelt sich dadurch auch nicht sofort in einen Zombie.
Aber Florian Schmidt fühlte sich irgendwann fast wie einer. Vielleicht, so glaubt er vorsichtig, war es gerade jener Sturkopf, jener Zweckoptimismus, jener naive Glaube, dass er keiner von den ganz schweren Fällen sei, dass er es sicher schaffen werde, der ihn am Ende gerettet habe. Hätte er nachgegeben, hätte er es mit der Maske nicht ausgehalten, die Schmerzen, den psychischen Druck, hätten sie ihn dann ins künstliche Koma legen müssen – er ist sich nicht sicher, ob er wieder aufgewacht wäre.
Ein Augenpaar namens Martin
In all dieser entmenschlichenden und entwürdigenden Qual seien für ihn dennoch die kurzen menschlichen Momente entscheidend gewesen. Das Gefühl der Finger in Gummihandschuhen des Pflegepersonals auf seinem Rücken, wenn sie versuchten, ihm durch eine Massage ein wenig die Verspannung zu lösen und Linderung zu verschaffen. Die Augenpaare, die ihn aus jenem Schutzanzug anblickten. Ein Augenpaar heißt Martin. Ein Blick, der ihm inmitten all der lebensrettenden, piepsenden und blinkenden Technik Mitgefühl vermittelte. Eine Stimme, die ihm während des Sauerstoffrauschens und der regelmäßigen Alarme auf der zu jener Hochphase der Pandemie vollen Covid-Station in der Klinik Eichstätt Mut machte.
Für ihn sind es „keine Helden“, zu denen man in der modernen Medienwelt auch gerne gemacht werde, sondern „gewaltbereite Lebensretter“, so schreibt er in seinem Buch, für das er derzeit einen Verlag sucht. „Beim besten Willen, ich würde das als Pfleger keine Woche aushalten. Selbst wenn viele Patienten erfolgreich behandelt werden. Das ganze Elend, das ganze Leid, der ganze Schmerz der Patienten wäre schon zu viel für mich. Ich könnte das nicht tragen und ertragen. Umso größer ist also mein Respekt, meine Bewunderung und meine Dankbarkeit.“ Besonders auch weil sie bei Covidpatienten abgesehen vom Beatmen eben kaum etwas tun können.
Ein Arzt habe ihm erzählt, es sei in gewisser Weise einfacher, Schlaganfallpatienten zu behandeln. Da wisse man wenigstens, wie in etwa der Verlauf sei und welche Therapiemöglichkeiten es gebe. Bei schweren Coronapatienten dagegen wisse man nie so genau. Und so muss sich auch das medizinische Personal inmitten einer hochinfektiösen Umgebung unter der Belastung der ständig wechselnden Schutzanzüge immer wieder hilflos fühlen. Umso schöner sind auch für sie jene Momente, wenn es eben doch klappt: Als Florian Schmidt am 12. Januar 2021 die Eichstätter Covidstation verlässt, feiert ihn das Personal dafür. Es sei „einfach ein großartiges Gefühl“ gewesen, das Krankenhaus durch den Vordereingang zu verlassen und die Schneeflocken zu spüren, die gerade fielen – auch wenn jeder Schritt schwerfiel.
Schon kurze Entfernungen verwandelten sich für Schmidt in den folgenden Wochen und Monaten in kaum zu bewältigende Distanzen – Treppen in beinahe überwindbare Hindernisse. das blieb auch in der Reha so – aber dort war Schmidt mit diesem Gefühl nicht alleine. Im Gegenteil: Es gab viele, die das Virus noch viel härter getroffen hatte – eine ältere Frau etwa, die gemeinsam mit ihrem Mann mit positivem Befund in die Klinik gekommen war und nun alleine und mit schweren Folgen wieder versuchte, in ein halbwegs normales Leben zurückzukehren – ihr Mann war aus dem Koma nicht wieder aufgewacht. Abschied unmöglich. Auch jene Patienten mit heftigen Spätfolgen – wie einen Mann in Schmidts Alter, der nach seiner Covid-Erkrankung nun permanent heftige Schmerzen am ganzen Körper hatte und nur mit hohen Dosen an Schmerzmitteln durch den Tag kam – ohne jede Verbesserung, dafür mit Suizidgedanken. Oder ein junger Sportler, der bei der ersten Erkrankung noch kein Problem gehabt habe, seit seiner zweiten Corona-Infektion aber einen chronischen Herzklappenfehler hat, mit dem er nun leben müsse.
„Idioten“ statt „Querdenker“
„Eigentlich sollte jeder das einmal selbst sehen“, sagt Schmidt. Das Elend, den Kampf, dieses unwürdige Dahinvegetieren und Überleben statt Leben. Es sei normal, dass man das nicht so sehr an sich heranlasse – zutiefst menschlich. Aber daraus Verschwörungstheorien zu konstruieren, sei einfach nur blanker Unsinn. „Idioten“, „Deppen“ und andere Schimpfwörter haben sie dort in der Rehaeinrichtung in Ansbach unverblümt die „Querdenker“ und andere genannt, die das Coronavirus immer noch mit einer gewöhnlichen Grippe verglichen oder sogar leugneten – während sie selbst nur wenige Tage zuvor noch elendig mit dem Virus um ihr Leben gekämpft hatten und nun nach Beatmung und meist Koma kraftlos und außer Atem den Gang in der Rehaeinrichtung entlangschlurften.
Ob er an oder mit Corona gestorben wäre? „Spielt das eine Rolle?“, fragt Schmidt rhetorisch. „Ich war vorher gesund. Mir ging es gut“. Jetzt hat er immer noch zu kämpfen, tut sich schwer mit körperlichen Belastungen, hat Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Manchmal fallen ihm die rechten Worte nicht ein – was für einen Autor zahlreicher Theaterstücke gar nicht mal so gut ist. Aber er ist froh, dass es besser wird und die Flashbacks weniger werden. Sein Buch ist trotzdem fertig geworden.
Darin geht es aber nicht nur um jene traumatischen Nahtoderfahrungen, die ihn jetzt immer noch ab und zu in Form jener Flashbacks heimsuchen. Er beschreibt auch witzige Szenen, über Menschen, die trotz ihres virusbedingten Schicksalsschlags ihren Humor nicht verloren haben, die zusammenfinden, sich gegenseitig Mut machen. Und dann sind da noch die Freunde: Rund zwei Wochen vor seinem 54. Geburtstag telefonierte Florian Schmidt mit seinem Kumpel Franz und erzählte ihm ein wenig traurig, dass er nun schon Heiligabend und Silvester alleine im Krankenhaus verbracht habe nun auch an seinem Geburtstag hier in der Reha sein werde, wo zudem wegen Erkrankung des Pflegepersonals Quarantäne herrsche, und er eben nicht mit der Familie und Freunden zusammen sein könne. Doch da hatte er die Rechnung ohne seine Freunde gemacht. Die schickten ihm Schritt für Schritt einen ganzen Gabentisch voller Geschenke zu.
Und am Geburtstag selbst rief sein Freund „Tosn“ an und sang ihm das Lied „Viel Glück zum Nicht-Geburtstag“ aus Alice im Wunderland vor – ein Ritual, das die beiden Freunde seit langem pflegen. Und sie reden über die 70-jährige Ausnahmesituation des Friedens in Europa in den letzten Jahrzehnten. Jetzt, so schließt Tosn, sei man also so gesehen ein wenig wieder zurück in der Normalität der Kriege, Krisen, Katastrophen – und eben Pandemien. „Aber ein wenig erinnert mich das auch an die Geschichte von dem Vorstellungsgespräch, in der der Chef die Unterlagen des Bewerbers durchblättert und beim Lebenslauf stutzt. ,Ich sehe, sie haben da eine dreijährige Lücke in ihrem Lebenslauf …’ “, schreibt Schmidt in seinem Buch. „Und der Bewerber antwortet: ,Ja, war geil …!’“
Wissenschaft statt selbstberufene Postulierer
Es enthält auch ein wenig Lebensphilosophie, aber auch allerhand Humor, und ja, es sei für ihn auch ein wenig Verarbeitung. Aber ein Grund, warum er darüber schreibt und spricht, ist auch, dass er möchte, dass solche Geschichten erzählt werden – in einer Zeit, in der man sich in einer Gesellschaft nicht einmal mehr darauf zu einigen können scheint, wie gefährlich so ein Virus ist oder ob es das Ganze überhaupt gibt – eine Beleidigung für alle, die wie er einen solchen schweren Verlauf gehabt hätten. Stattdessen solle man gerade in solchen Fällen wieder der Wissenschaft vertrauen. Gerade weil Wissenschaftler eben diejenigen seien, die auf der Basis von Fakten argumentieren und eben auch einmal zugeben müssten: „Wir wissen es noch nicht genau“ oder „Wir haben uns geirrt“. Gefährlich seien vielmehr diejenigen, die sich aus dem Internet irgendeine vermeintliche Wahrheit zusammensuchen, so gut wie nichts wirklich beweisen könnten, sondern nur ihr selbst zusammengereimtes Weltbild postulierten, so Schmidt. „Wir müssen ins Gespräch kommen“, glaubt er. „Und wir müssen wieder weniger anonyme Zahlen sehen und mehr die menschlichen Schicksale, die sich dahinter verbergen“, findet er. Auch deshalb hat er sein Buch geschrieben.
Aber vorher geht es erst einmal in einen kurzen Urlaub an die Ostsee – das soll seiner geschädigten Lunge helfen. Und dann, so hofft er, dass er irgendwann die verrückte Idee umsetzen kann, die er gemeinsam mit seiner Frau Martina, der „besten Ehefrau der Welt“, wie er sie in seinem Buch nennt, ausgeheckt hat. Irgendwann in diesem Sommer, sobald es wieder möglich ist, will er Weihnachten, Silvester und seinen Geburtstag mit Familie und Freunden nachfeiern – mit Weihnachtsbaum, kleinem Silvesterfeuerwerk und am nächstem Morgen einem Geburtstagsfrühstück. Eigentlich, so sagt er nachdenklich, habe er jetzt ja sowieso schon quasi zwei Geburtstage, erzählt er am Ende unseres Gesprächs grinsend – die Tränen und der kleine Flashback von zuvor sind wieder vergessen.